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Phnom Penh verändert sich – die Gelassenheit der Einwohner bleibt. © Foto: Plan/Marc Tornow
Phnom Penh verändert sich – die Gelassenheit der Einwohner bleibt. © Foto: Plan/Marc Tornow
23.04.2018 - von Marc Tornow

Kambodschanischer Phönix

Einen halben Tag dauert die Reise nach Südostasien. Noch verschlafen von einer zu kurzen Nacht reibt man sich ungläubig die Augen, als der Mekong zwischen Reisfeldern auftaucht – und mittendrin Phnom Penh. Die Hauptstadt Kambodschas glänzt mit neu erwachtem Bauboom.


 

Die vom Löss braun gefärbten Wasser des mächtigen Stroms wälzen von Norden heran. Hölzerne Fischerboote, Fähren und kleine Frachtschiffe ziehen darin ihre Bahnen – bis praktisch aus dem Nichts die Skyline Phnom Penhs sichtbar wird. Blitzschnell ist man nun hellwach. Neue Hochhäuser sprießen scheinbar wie Pilze aus dem schlammigen Boden, den seit Urzeiten der stoische Mekong anschwemmt. Und genau hier, an exponierter Lage – dem Treffpunkt von Bassac- und Tonle-Sap-Fluß mit dem Mekong –, setzten die Khmer im 15. Jahrhundert ihrer Kapitale den Grundstein.

Die Stimmung in den nimmer müden Straßen der Hauptstadt scheint prächtig. Schon lange schimmerte nicht mehr so viel Optimismus aus vielen Gesichtern, wie jetzt beim Bummel durch die im Schachbrett-Raster angelegten Viertel. Die Leute wollen lachen, sich amüsieren. Sie gönnen sich einen Kaffee, kaufen Eis oder Zuckerwatte für ihre Kinder, die belustigt Drachen im Wind steigenlassen, der aus dem Hinterland von Kampong Speu wie ein Föhn heiße Luft herbeiwirbelt. Tauben flattern auf, stürzen sich auf Futter, das Passanten vor dem Königspalast ausstreuen. Zeichen eines neu verteilten Wohlstands im Fahrwasser der Globalisierung.

Diese kommt mit Hamburger-Restaurants und internationalen Markennamen daher. Im Schatten verspiegelter Bürogebäude, die grell im Licht der Sonne funkeln, sind nun all die Güter zu bekommen, die viele Kambodschaner lange Zeit nur aus Fernsehbildern, aus dem unerreichbar fernen Ausland kannten. Über diese Zeit – in der private Mopeds purer Luxus waren – wissen viele junge Menschen nicht viel. Und statt wie noch vor 15, 16 Jahren auf Sandpisten mitten durch Phnom Penh zu rollen, stehen sie nun auf dem zentralen Monivong Boulevard im Stau.

Vor zwei Generationen hatte sich diese Metropole aufgerieben – in Bürgerkriegen, bewaffneten Konflikten und nicht zuletzt dem Abgrund des Genozids. Damals 1975, als die Roten Khmer die Herrschaft übernahmen, leerten die Steinzeit-Kommunisten alle Häuser Phnom Penhs und schickten die Bevölkerung auf die Felder. Wer dort nicht anpackte, wurde erschlagen oder erschossen. Fahrräder und Autos von Millionen Menschen endeten auf Schrotthaufen.

Auch ganze Fabriken und alles Geld endeten zu jener Zeit, dem selbst proklamierten Jahre 0, im Müll – und damit auch der zentrale Markt Phsar Thmei samt jeder Form von Handel. Eine Millionenstadt lag wie ein geisterhaftes Spukschloss da, in dem nur noch die Elite von Angkar – der „Organisation“ – mit einem engen Zirkel und wenigen Fachkräften residierte. Ihr Führer Pol Pot ließ sich historischen Fotos nach im schwarzen Mercedes durch das menschenleere Phnom Penh chauffieren. Nur wenig illustriert eindrucksvoller die Entrücktheit des Regimes als dieses Motiv.

 

Das alles ist heute nur noch schwer vorstellbar in einer Stadt, die nun wie viele andere Metropolen Südostasiens mit modernen Herausforderungen zu tun hat. Mit dem überbordenden Verkehr oder einer steigenden Umweltverschmutzung. Wie ein Phönix – ein mythologischer Fabelvogel – erhob sich die Stadt aus den Ruinen ihrer Vergangenheit. Sie landet momentan in der gentrifizierten Postmoderne.