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19.08.2016 - von Janina Schümann

Wicilenys Erfolgsgeschichte – oder: Die Kraft des Sports

Ein Beitrag von Daniela Hensel, Pressereferentin Sport-/ Unternehmenskooperationen bei Plan International Deutschland, zu ihrer Pressereise nach Rio de Janeiro, Brasilien, im August 2016

 

Im vergangenen Oktober war ich schon einmal in Rio de Janeiro.


Damals besuchten wir mit Sprinterin Tatjana Pinto, seit 2013 „Kinder brauchen Fans!“-Botschafterin, und Stabhochspringer Björn Otto, seit 2012 „Kinder brauchen Fans!“-Botschafter, Plan-Projekte im Nordosten Brasilien und machten einen kurzen Abstecher in die Stadien rund um den Zuckerhut. Nun bin ich wieder hier. Die Stimmung ist eine andere dieses Mal: Noch geschäftiger, es liegt eine Spannung in der Luft, zwischen Copacabana und Barra. Sportlerinnen, Sportler, Fans sind auf ihren Wegen in die Wettkampfstätten oder genießen die Sonne an einem der Stadtstrände.

Ich interessiere mich sehr für Sport, besonders für Tennis, Leichtathletik, Reiten und Fußball. Und das Mädchen, auf das ich heute hier warte, ist auch eine große Fußballerin und eine ganz besonders engagierte Teilnehmerin eines Plan-Projekts in São Luís, einem Programmgebiet von Plan.

Kennengelernt haben wir Wicileny auf der Reise im vergangenen Jahr. Damals schon erklärte sie Tatjana Pinto und uns, wie wichtig das Fußball-Projekt von Plan für die Mädchen und Jungen, für die gesamte Gemeinde sei. Der Alltag wurde, wie in vielen Teilen Brasiliens, von Drogen, Gewalt und Armut bestimmt. Vor allem Mädchen und Frauen wurden häufig Opfer von sexuellen Übergriffen. Und sie hatten nicht die gleichen Chancen wie die Jungen. Sie haben seltener die Schule abgeschlossen. Hatten weniger Freizeit. Waren sexuellen Übergriffen und Gewalt ausgesetzt. So gibt es laut der Weltgesundheitsorganisation WHO in Brasilien alle 15 Sekunden einen Übergriff auf eine Frau. Auch Wicileny hatte oft Angst, das Haus alleine zu verlassen. Sie war ein schüchternes Mädchen mit einem großen Traum. Sie wollte Fußball spielen und eines Tages Profi werden. Doch mit diesem Wunsch sah sie sich vielen Anfeindungen ausgesetzt. Ein Mädchen solle kein Fußball spielen. Das sei zu männlich. So bekäme sie keinen Freund. Wicileny zog sich zurück.

Dann setzte Plan das Mädchen-Fußballprojekt in ihrer Gemeinde um. Das Mädchen sah ihre Chance gekommen und ergriff sie. Sie trainierte, nahm gemeinsam mit Jungen aus der Gemeinde an den Workshops teil und ganz langsam veränderte sich etwas. Vorurteile wurden aufgebrochen. Die Jungen erkannten, dass Mädchen die gleichen Rechte haben wie Jungen, auch darauf, Fußball zu spielen. Und Wicileny war gut. Sie wurde Kapitänin der Mannschaft. Das gab ihr Selbstbewusstsein. Sie setzte sich für die anderen Mädchen ein, wurde in der Schule besser.

Und dann traf sie auf Tatjana Pinto, die auch einen Traum hatte: sich in Rio mit den besten Sportlerinnen messen zu können und ihr Bestes zu geben. Und sie verabredeten: Wir sehen uns wieder.

Jetzt treffe ich Wicileny hier, dieses schüchtern wirkende Mädchen. Wir treffen uns an einem der Hot-Spots Rios, an der Copacabana. Trinken eine Kokosnuss, und sprechen darüber, was sie in Rio vorhat. Sie ist hier, um Tatjana bei ihren Rennen zu unterstützen, so wie die Deutsche Meisterin im Sprint es getan hat, als sie Wicileny im vergangenen Jahr im Projekt und zuhause besuchte. Und sie will mehr: Sie ist hier, um mehr Menschen zu berichten, welche Kraft der Sport für Mädchen wie sie haben kann, wenn man ihnen die Chance gibt. Deshalb wird sie Gast im Deutschen Haus sein, den Anlaufpunkt der Deutschen Olympiamannschaft und ihren Gästen.

Aufgeregt ist sie schon, als sie mit dem Boot über die Lagune von Barra zum Deutschen Haus übersetzt, um sich schon mal anzusehen, was da auf sie zukommt. Aber sie freut sich auch, ist voller Mut und Zuversicht. Ganz genau beobachtet sie an diesem Abend Dr. Werner Bauch, Vorstandsvorsitzender von Plan International Deutschland, und Dr. Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportsbundes (DOSB), wie sie auf der Bühne stehen, um die Partnerschaft zwischen dem DOSB und Plan International Deutschland zu verkünden. Und Ingrid Klimke, die ihre Silber-Medaille im Vielseitigkeitsreiten der Mannschaft an diesem Abend ihrem Plan-Patenkind in Tansania widmet. „Das kann ich auch“, sagt sie. Davon bin ich wirklich überzeugt.

Aber zuerst hat sie noch eine andere Mission. Sie will im Stadion Tatjana Pinto anfeuern und die Daumen drücken. Die Sprinterin kämpft heute hier beim 100-Meter-Lauf um den Einzug in das Finale. Das Stadion liegt mitten in einem Wohngebiet. Die Menschen, die wortwörtlich unter der Sportstätte leben, grillen in ihren Gärten Fleischspieße, zaubern duftende Caipirinha mit Maracuja und Limetten. Herrlich riecht es hier. Und jeder kann an diesen Genüssen teilhaben. Denn die Menschen verkaufen die Spießen und Becher durch die meterhohen Zäune, die ihre Grundstücke umgeben. Bevor wir ins Stadion gehen, stärken wir uns erst mal.

Was für eine Stimmung im Stadion. Die oberen Ränge sind zwar leer. Aber feiern die Brasilianer umso lauter. Vor allem natürlich, wenn eine einheimische Athletin oder ein Athlet beteiligt ist. Es wurde viel darüber gesprochen, dass die Fans so unfair seien, buhen und pfeifen würden, wenn Sportlerinnen und Sportler anderer Nationen antreten würden. Heute empfinde ich das hier nicht so. Im Gegenteil: eine Brasilianerin jubelt ganz besonders laut, als Tatjana Pinto vor ihrem Start vorgestellt wird: Wicileny. Als es losgeht, ist sie völlig aus dem Häuschen und danach so aufgewühlt, als wäre sie selbst die 100 Meter gelaufen.

Was für ein aufregender Tag für das Mädchen. Und Zuhause in der Nähe von Sao Luis saßen auch ihre Freunde, die Familien, die ganze Gemeinde vor dem Fernseher und haben mitgejubelt.

Am nächsten Tag gehen wir mit Wicileny in ein typisches brasilianisches Restaurant essen:

Am Eingang bekommt man ein Zettel, auf dem später eingetragen wird, wieviel das Essen wiegt und kostet, welches man sich auf den Teller gefüllt hat. Im Unterschied zu einem deutschen Schnellrestaurant, wird hier immer besonders auf Qualität und Geschmack Wert gelegt. Das Fleisch wird vor den Augen der Gäste gegrillt. Die Spezialität: Picanha, knusprig-gegrillter Tafelspitz, der in dünnen Scheiben auf den Teller geschnitten wird. Und: Diese Restaurants sind günstig, auch für Brasilianer erschwinglich und deshalb ein beliebter Treffpunkt für Freunde und Familien – vor allem wenn so wie in dieser Zeit dauernd, Sport in den allgegenwärtigen Fernsehen läuft. Wicileny fühlt sich hier sichtlich wohl, bejubelt die außergewöhnlichen Leistungen im TV frenetisch. Sie weiß eben ganz genau, Sportlerinnen und Sportler brauchen Fans, die sie unterstützen und anfeuern. Und Kinder auch!

Und genau das möchte sie den Gästen im Deutschen Haus in Rio auch erzählen. Aber bevor sie auf die Bühne geht, trifft sie endlich Tatjana Pinto wieder. Die beiden umarmen sich, sprechen portugiesisch miteinander. Wicileny erzählt der Sportlerin, dass sie ihr im Stadion zugejubelt hat. Und dann wird es auch schon Zeit: Tatjana Pinto, DLV-Vizepräsidentin Dagmar Freitag und als Star-Gast angekündigt, Wicileny, betreten die Bühne. Der Talk kann beginnen: Tatjana erzählt von der Reise, wie beeindruckt sie vom Engagement der Jugendlichen war, dass sie die Fußballerin Wicileny Zuhause besucht hat. Diese hört ihren Namen und strahlt. Auch Dagmar Freitag erinnert sich ganz besonders gut an ein Projekt zur sexuellen Aufklärung im Projektgebiet von Plan. Dann richtet sich die Moderatorin mit einer Frage an Wicileny. Und die Worte sprudeln nur so heraus. Nichts ist mehr übrig von dem schüchternen Mädchen. Hier steht eine ganz große Persönlichkeit, die sich für sich und die Rechte der Mädchen einsetzt. Der große Applaus zeigt, die Gäste haben verstanden, worum es dem Mädchen geht. Nach ihrem Auftritt wird sie von vielen angesprochen und zu ihrem Auftritt beglückwünscht. Ein großer Erfolg, den Wicileny am nächsten Tag mitnimmt.

Lest hier Wicilenys Erfahrung in Rio de Janeiro: Brasilien - ein Traum ist wahr geworden