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Über die Landstraße rollen die Autos von Cúcuta in Richtung venezolanische Grenze. © Foto: Plan/Anika Büssemeier
14.08.2019 - von Marc Tornow

Gekommen, um zu gehen

Eingebettet zwischen die majestätischen Bergen der Cordillera Oriental hat Cúcuta eine pittoreske Wirkung. Dabei ist die Provinzhauptstadt im Norden Kolumbiens ein Nadelöhr für Menschen aus Venezuela.


Der Río Táchira wird zum Scheideweg zwischen den Welten. Über 90 Kilometer durchmisst er die Berglandschaft in der kolumbianischen Provinz Norte de Santander. Die Ausläufer der Anden-Kordilleren und ein weitläufiges Tal werden von dem Fluss in zwei Hälften geteilt: Im Osten Venezuela mit der Grenzstadt San Antonio, im Westen Kolumbien mit der Regionalhauptstadt Cúcuta.

Aus dem Flugzeug betrachtet verschwimmen die politischen Grenzen, geografische bleiben: bläulich schimmernde Hügelketten. Dazwischen recken sich hüben wie drüben cremefarbig gestrichene Kirchtürme in den Himmel. Ebenso gibt es beiderseitig des kaum 200 Meter breiten Flusses Táchira beschauliche Viertel im Anden-Barock. Die kulturellen Gemeinsamkeiten sind frappierend.

Doch wer ins kolumbianische Städtchen Villa del Rosario kommt, versteht die Welt nicht mehr. Hier, zehn Kilometer vor den Toren von Cúcuta, spannt sich die Puente Internacional Simón Bolívar über den Grenzfluss. 10.000, vielleicht 30.000 Menschen passieren sie täglich. Die Menschen fluten einen Straßenmarkt auf der kolumbianischen Seite, der direkt hinter den Zoll- und Passbüros aufgebaut ist. Brot, Öl, Kekse, Babynahrung, Toilettenpapier, Softdrinks – alle möglichen Alltagsgüter stehen hier zum Verkauf.

Seit auf der östlichen Seite des Tals immer wieder der Strom ausfällt, die Wasserversorgung versiegt und Supermärkte leer bleiben, kommen mehr Menschen ins benachbarte Kolumbien zum Einkaufen. Die sozio-ökonomische Krise Venezuelas treibt die Leute über die Simón-Bolívar-Brücke hinüber. Wochenlang blieb der einzige legale Grenzübergang in der gesamten Region geschlossen.

Das hielt die Menschen nicht zurück: Durch das steinige Bett des Río Táchira liefen sie weiterhin rüber gen Westen – und dabei manch krimineller Bande in die Arme. Splittergruppen der einstigen kolumbianischen Guerillagruppe FARC sowie der ELN, die hier im Norden nach wie vor agieren, kassieren Wegzoll und profitieren von Schutzgelderpressung bei jenen, die selber nichts haben. Mittlerweile ist der offizielle Weg wieder offen. Grenzschützer und Zöllner prüfen in der Mitte der Brücke Personalausweise oder die Bescheinigungen für den Kleinen Grenzverkehr, die Tarjeta de Movilidad Fronteriza (TMF). Doch unten – entlang der Pfeiler und am helllichten Tag – queren Dutzende Männer durch Schilf und Gestrüpp die Landesgrenzen.