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Die Girl’s Education Movement Clubs (GEM) im Bidi Bidi Camp haben schon viele Forderungen rund um das Recht auf Bildung für Mädchen und junge Frauen ausgearbeitet und umgesetzt. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.
Die Girl’s Education Movement Clubs (GEM) im Bidi Bidi Camp haben schon viele Forderungen rund um das Recht auf Bildung für Mädchen und junge Frauen ausgearbeitet und umgesetzt. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.
25.10.2021 - von Verena Gresz

Bildungsgerechtigkeit für Mädchen im Bidi Bidi Camp

Das Bidi Bidi Camp im Nordwesten Ugandas ist eines der größten Geflüchtetenlager der Welt. So groß wie eine Stadt, beheimatet es inzwischen über 250.000 Menschen. 61 Prozent der Bewohner:innen sind noch minderjährig, weshalb Bildungsprogramme für Kinder und junge Erwachsene eines der zentralsten Themen der Projekte im Camp ausmachen. Der gleichberechtigte Zugang zu diesen Programmen für Mädchen und junge Frauen stellt jedoch nach wie vor eine Herausforderung dar.

Als sie sieben Jahre alt war, floh die heute 15-jährige Jackline zusammen mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg im Südsudan. Seitdem lebt sie im Bidi Bidi Camp, einer Unterkunft für Geflüchtete in Uganda. Obwohl sie nun schon fast ihr halbes Leben fort ist, erinnert sie sich ich noch gut an das alte Zuhause. Sie war glücklich dort mit ihren Eltern – bis der Bürgerkrieg auch in ihre Region kam. 

“Wir konnten nicht bleiben. Um uns herum versank alles in Chaos und Gewalt. In Uganda ist es dagegen ruhig und friedlich. Ich hoffe, dass ich hier meine Schulbildung abschließen kann. Vielleicht kann ich sogar Anwältin werden – das wäre mein Traum,” erzählt Jackline.

Plan International Uganda ist im Bidi Bidi Camp aktiv und macht Bildungsangebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche ein. Traditionelle Rollenbilder und Familienmodelle, die Mädchen und junge Frauen in Abhängigkeitsbeziehungen drängen, stellen dabei eine große Herausforderung dar - Mädchen und Frauen werden häufig als weniger Wert angesehen, ihr Platz liegt traditionell in der Familie als Hausfrau und Mutter - Rollen, für die sie in den Augen vieler Eltern keine Schulbildung brauchen, weshalb sie seltener in die Schule geschickt werden. Dadurch haben die Mädchen aber selten die Chance auf einen guten Beruf, ein eigenes Einkommen und sind deshalb ihr Leben lang von ihren Ehemännern abhängig - ein Umstand, den Plan International verhindern möchte. Ein zentraler Punkt der Projektarbeit im Camp liegt deshalb darin, die geschlechtsspezifischen Hürden zu erkennen, die Mädchen und junge Frauen von einem erfolgreichen Schulbesuch abhalten und mit gezielten Programmen das Recht auf Bildung und Chancengleichheit zu fördern.

In diesem Sinne sind die Girl’s Education Movement Clubs (GEM) (dt.: Mädchen-Bildungsbewegungsvereine) entstanden – Arbeitsgruppen, in denen Mädchen und junge Frauen sich über ihre Erfahrungen austauschen und gemeinsam Lösungsstrategien erarbeiten, wie sie ihr Recht auf Bildung einfordern aber auch mitgestalten können. 

Jackline ist als langjähriges Mitglied in einem GEM-Club überzeugt, dass ihr Einsatz bereits Früchte trägt. “Ich habe eine Menge zum Thema Gleichberechtigung gelernt und fühle mich in vielen Bereichen selbstbewusster als vorher. Ich weiß, dass ich als Mädchen nicht weniger wert bin und dass ich alles tun und werden kann, was Jungs auch können,” erzählt sie.

“Außerdem habe ich gelernt, wie ich mit Menschen umgehen kann, die meinen, dass ich mit der Schule nur meine Zeit verschwende und doch lieber mehr im Haushalt helfen solle. Meine Eltern finden es gut, dass ich mich so auf das Lernen konzentriere. Diese positive Unterstützung möchte ich weitergeben. Immer wenn ich ein Mädchen treffe, das die Schule abgebrochen hat, bestärke ich sie, wieder zurückzukommen,” sagt Jackline.

Die Girl’s Education Movement Clubs (GEM) im Bidi Bidi Camp haben schon viele Forderungen ausgearbeitet und auch umgesetzt. Dazu zählen zum Beispiel die Einführung von getrennten Toiletten für Mädchen und Jungen, die kostenlose Verteilung von wiederverwendbaren Damenbinden, Workshops für Lehrer:innen zum geschlechtergerechten Lernen und Lehren sowie Informationsveranstaltungen und Gesundheitsleistungen für jugendliche Schülerinnen im Bereich reproduktiver Gesundheit und Rechte. 

Gillian (10), Sakirah (14) und Christine berichten von ihren Erfahrungen mit den von den GEM Clubs und Plan International bewirkten Veränderungen.


Gillian (10)

In den Girl’s Education Movement Clubs (GEM) haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, auf geschlechtsspezifische Hürden aufmerksam zu machen, die Mädchen und junge Frauen von einem erfolgreichen Schulbesuch abhalten und an Lösungsvorschlägen mitzuarbeiten. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.
In den Girl’s Education Movement Clubs (GEM) haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, auf geschlechtsspezifische Hürden aufmerksam zu machen, die Mädchen und junge Frauen von einem erfolgreichen Schulbesuch abhalten und an Lösungsvorschlägen mitzuarbeiten. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.

Gillian (10) geht gerne in die Schule. Als eine der wenigen Schüler:innen in ihrer Klasse mag sie das Fach Mathematik am liebsten. Doch der Platz in den Klassenräumen wurde oft so eng, dass der Unterricht draußen abgehalten werden musste – wo es trotz einiger schattenspenndender Bäume in der Mittagszeit unerträglich heiß ist. Manchmal stellten auch die örtlichen Kirchen ihre Räume bereit, die jedoch oft weit vom eigentlichen Schulgelände entfernt liegen. Seitdem Plan International den Bau von drei neuen Klassenräumen gefördert hat, fällt Gillian und ihren Mitschüler:innen das Lernen wieder leichter.

Nachdem in ihrer Schule getrennte Toiletten für Mädchen eingeführt wurden, fühlt sich Gillian auch in den Pausen wohler. “Weil es nicht so viele Mädchen gab, mussten wir die Toilette für die Jungs mitbenutzen. Das war mir immer unangenehm und ich habe mir das auf Toilette gehen lieber verkniffen und gewartet, bis ich wieder zu Hause war. Das hat mich im Unterricht oft nervös gemacht,” erzählt Gillian.

Sakirah (14)

Viele Mädchen schämen sich häufig während ihrer Periode in die Schule zu gehen. Getrennte Sanitärräume und wiederverwendbare Damenbinden können deshalb einen großen Unterschied machen. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.
Viele Mädchen schämen sich häufig während ihrer Periode in die Schule zu gehen. Getrennte Sanitärräume und wiederverwendbare Damenbinden können deshalb einen großen Unterschied machen. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.

Für die 14-jährige Sakirah hat die kostenlose Verteilung von wiederverwendbaren Damenbinden eine große Veränderung für ihre Schulbildung bewirkt. Ohne die nötigen Hygieneprodukte war es ihr peinlich, während ihrer Periode in die Schule zu gehen und so verpasste sie jeden Monat mindestens eine Woche den Unterricht, obwohl ihr das gemeinsame Lernen immer sehr viel Spaß gemacht hatte.

“Als ich von den wiederverwendbaren Damenbinden erfuhr, wollte ich sofort wissen, wie ich selbst welche herstellen kann. In unserer Nachbarschaft kann sich kaum jemand den Luxus von Wegwerfprodukten wie den herkömmlichen Menstruationsbinden leisten. Seitdem ich aber weiß, wie ich meine eigenen Binden herstellen kann, ist der Schulbesuch während meiner Periode kein Problem mehr. Ich habe auch meinen Schwestern und Freundinnen schon gezeigt, wie das geht,” erzählt Sakirah.

Christine (18)

In den von Plan International organisierten Workshops lernen junge Mütter Skills zur Existenzsicherung wie das Herstellen von Taschen oder Schmuck, die sie auf dem Markt verkaufen können. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.
In den von Plan International organisierten Workshops lernen junge Mütter Skills zur Existenzsicherung wie das Herstellen von Taschen oder Schmuck, die sie auf dem Markt verkaufen können. © Lidia Celeste Felix Langa/Plan International.

Mit zehn Jahren musste auch Christine vor der zunehmenden Gewalt im Südsudan fliehen. Als sie 16 Jahre alt war, wurde sie schwanger. Durch ein von Plan International gegründetes und gemeinsam mit den Girl’s Education Movement Clubs (GEM) ausgearbeitetes Projekt konnte sie Unterstützung für sich und ihr Baby erhalten und an regelmäßigen Workshops zur Existenzgründung teilnehmen.

“Als ich mit 16 Jahren schwanger wurde hatte ich nichts. Ich hatte mein bisheriges Erwachsenwerden als Geflüchtete gelebt und nie gewusst, was wirklich einmal aus mir werden würde. Doch es gab eine Beratungsstelle von Plan International im Camp, die psychologische Unterstützung anbot. Außerdem habe ich wichtige Dinge für den Alltag zur Verfügung gestellt bekommen, wie z.B. eine neue Matratze, Kinderkleidung, ein Moskito-Netz und Hygieneartikel für mich und das Baby,” erzählt Christine.

“Ich bin regelmäßig zu den Treffen der Selbsthilfegruppe gegangen, die sich für kinderfreundliche Räume und die Betreuung junger Mütter einsetzt. Dort habe ich auch an verschiedenen Workshops teilgenommen. Ich habe gelernt wie man Taschen näht und Schmuck wie Halsketten oder Armbänder herstellen kann. Inzwischen verkaufe ich meine selbstgemachten Produkte sogar regelmäßig auf dem Markt,” berichtet Christine weiter.

Und sie fügt noch hinzu: “Ich fühle mich gut und bin richtig stolz auf mich und darauf, was ich alles geschafft habe. Ich lasse mich nicht mehr von den schlechten Dingen, die in der Vergangenheit passiert sind, beeinflussen. Natürlich wird das immer ein Teil von mir sein aber heute bin ich stark genug, um das Negative hinter mir zu lassen und nach vorne zu schauen – für mich und mein Baby. Ich hoffe, dass ich anderen Mädchen und jungen Frauen dabei helfen kann, auch ihren Weg zu finden und an sich und ihre Zukunft zu glauben.”