Das Ende sexueller Peinlichkeiten

Foto: Plan International

Die Folgen früher Schwangerschaft sind vielen Kindern in Westafrika nicht bewusst. Zwei Lehrerinnen brechen deswegen mit schambehafteten Tabus.

Bis vor kurzem waren dies noch Tabuthemen. Bis vor kurzem sprach an guineischen Grundschulen niemand offen über Kondome, Familienplanung, Sex und ungewollte Schwangerschaften. Die Kinder in dem westafrikanischen Land wuchsen – was diese Themen und ihren Schulunterricht betraf – in Unwissenheit auf. Mit der Folge, dass nach und nach einige Mädchen von den Schulbänken verschwanden. Einfach, weil sie früh schwanger wurden oder sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten infiziert hatten.

Doch allmählich beginnen sich die Dinge zu ändern. Zwei Lehrerinnen aus dem Süden von Guinea setzen sich für die Aufklärung und den aktiven Schutz von Schulkindern ein. Wenn es um die Sexualaufklärung der jüngeren Generation geht, sind Fanta und Marthe mit vollem Einsatz dabei. „Ich bin mir sicher, dass es nicht das Reden über Sex ist, das ein Kind in Gefahr bringt. Es ist vielmehr die Unwissenheit darüber“, sagt Grundschullehrerin Fanta aus Kissidougou.

Eine Frau steht in einem vollen Klassenzimmer und interagiert mit Kindern
Grundschullehrerin Fanta (re.) spricht mit Kindern über Sex und die Folgen ungewollter Schwangerschaften Plan International

„Nicht das Reden über Sex ist eine Gefahr, vielmehr die Unwissenheit darüber.“

Fanta, Grundschullehrerin aus Kissidougou
Mitten durch dichten Wald führt eine Straße aus rotem Lehm, auf der Personen laufen
Eine Landstraße im ländlichen Guinea Vincent Tremeau

Es erfordert Mut, das Schweigen zu beenden und im ländlichen Guinea mit Traditionen zu brechen. Doch durch das Engagement der beiden Frauen ist das Thema Sexualität an ihren Schulen kein Tabu mehr, sondern ein wichtiges Instrument zur Verhinderung von Teenagerschwangerschaften sowie den daraus resultierenden Schulabbrüchen, schlechteren Zukunftschancen und der Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten. „Dieses Vorgehen im Unterricht ist für das Wohlergehen unserer Kinder unerlässlich“, ergänzt Lehrerin Fanta.

Ein offener Dialog über Familienplanung fördert und schützt die Schulkinder

Die Initiative der Frauen für eine altersgerechte Sexualaufklärung im Lehrplan – zum Gespräch über sexuelle Rechte sowie reproduktive Gesundheit – wird von Plan International unterstützt. Durch das Plan-Projekt „Meine Gesundheit, meine Rechte“ haben die beiden Lehrerinnen das pädagogische und psychologische Rüstzeug erhalten, um diese Themen mit Respekt, Sensibilität und Kompetenz zu behandeln. Und neben Guinea fördert die Kinderrechtsorganisation mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union vergleichbare Vorhaben auch in den benachbarten Ländern Benin, Burkina Faso, Guinea-Bissau, Sierra Leone und Togo.

Ein Frau in einem blau-weiß gemusterten Kleid hebt zum Diskutieren vor eine Gruppe Kinder die Arme
Lehrerin Marthe (li.) spricht mit Mädchen und Jungen in ihrer Klasse offen über Sexualität und Familienplanung Plan International
Eine Frau in rot-braunem Kleid schreibt an einer Schultafel
Lehrerin Fanta sorgt im Unterricht für eine umfassende Sexualerziehung (ECS) Plan International

Eine umfassende Sexualerziehung (Education Complète Sexuellialité, ECS) helfe den Kindern dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, die ihr Leben betreffen und ihre gesamte Zukunft beeinflussen können, ist sich Lehrerin Marthe aus der Region Macenta sicher und ergänzt: „Wir sehen zu viele Schulabbrüche und zu viele junge Mädchen, die schwanger werden, noch bevor sie die Grundschule beenden. Dieses Projekt bewahrt unsere Töchter davor, den Unterricht zu verlassen und die damit verbundenen Folgen zu ertragen.“

Mit partizipativen Ansätzen werden intime Themen im Unterricht sensibel behandelt

Die Notwendigkeit für den Bruch mit Tabus und Veränderungen hat Lehrerin Marthe längst erkannt und sagt, dass der ECS-Unterricht die Lösung für ein seit langem bestehendes Problem in der Region ist. „Ich persönlich als Lehrerin lerne selbst viel dazu. Die Kinder sind sehr engagiert. Ich fühle mich sehr wohl, die Klassen zu unterrichten.“

„Es geht uns darum, den Kindern ihre Rechte sowie die Fähigkeit beizubringen, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.“

Marthe, Lehrerin aus Guinea

Mithilfe von partizipatorischen Ansätzen gelingt es den Lehrerinnen, Mädchen und Jungen gleichermaßen für all jene Themen zu interessieren, die oftmals mit Scham und Peinlichkeit behaftet waren. „Es geht uns darum, den Kindern ihre Rechte, den Respekt vor ihrem Körper, die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen sowie die Fähigkeit beizubringen, verantwortungsvolle Entscheidungen für ihr eigenes Wohlbefinden zu treffen“, sagt Marthe.


Und so stellen die Kinder den Lehrerinnen mittlerweile Fragen zu intimen Themen, die lange Zeit als Tabu in ihrer Gesellschaft gegolten haben. Sie äußern zum Beispiel ihre Bedenken zu riskanten Sexualkontakten und erkennen, dass sie Rechte haben und dass ihr Körper ihnen gehört.

„Beim ECS-Unterricht geht es nicht nur darum, über Sex zu sprechen", sagt Lehrerin Fanta. Es sei vielmehr „ein ganzes Paket an Informationen, das wir den Kindern auf ihren Lebensweg mitgeben“, ergänzt Marthe. „Wir informieren auch über geschlechtsspezifische Gewalt – mit dem Ziel, einen dauerhaften Wandel in der Gesellschaft herbeiführen.“

Der neuen Offenheit zum Thema Sexualkunde in Guinea steht eine große Zahl von heranwachsenden Kindern und Jugendlichen gegenüber, die sexuell aktiv wird, ohne rechtzeitig Zugang zu altersgerechten und geschlechtersensiblen Informationen bekommen zu haben.

Vielfach mangelt es in dem westafrikanischen Land auch an Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Schädliche soziale Normen, Geschlechterstereotypen sowie geschlechtsspezifische Ungleichheit stellen außerdem häufig Barrieren dar, die den Zugang von jungen Menschen zu einer angemessenen Beratung einschränken.

Ein Mädchen mit Fußballtrikot kickt einen Ball in die Luft
Mädchen sollen auch in Guinea gleichberechtig aufwachsen und ihr Leben gestalten können Plan International

„Ich kann alles ablehnen, was meinem Wohlbefinden schadet.“

Pauline, Schülerin aus Macenta

„Ich habe gelernt, dass ich alles ablehnen kann, was meiner Gesundheit und vor allem meinem Wohlbefinden schaden könnte“, sagt Pauline, eine Schülerin, die am Aufklärungsunterricht in Macenta teilgenommen hat. „Ich weiß, dass ich das Recht habe, meine Schulausbildung zu beenden, das macht mich sehr zufrieden.“

Die Teams von Plan International in Westafrika sind der Ansicht, dass alle Kinder, Jugendlichen und jungen Menschen das Recht haben sollen, freie Entscheidungen zu treffen und informiert ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Die kommenden Generationen sollen ein Leben frei von Zwang, Gewalt, Diskriminierung und Missbrauch führen können. Und damit das gelingt, ist die Sexualaufklärung an Grundschulen ein wichtiger Schritt.

Dutzende Kinder stehen winkend vor einem flachen Gebäude in Afrika
Neben den Schulklassen in Macenta im Süden von Guinea sollen weitere Kinder, Jugendliche und junge Menschen über sexuelle Gesundheit und ihre reproduktiven Rechte informiert werden Plan International

„Ich habe erkannt, dass niemand meinen Körper ohne meine Erlaubnis anfassen darf.“

Saran, Schülerin aus Macenta in Guinea

„Früher fand ich es peinlich, über meinen Körper zu sprechen. Jetzt weiß ich, dass dies wichtig ist, um mich selbst zu schützen und andere zu respektieren. Ich habe auch erkannt, dass niemand meinen Körper ohne meine Erlaubnis anfassen darf“, sagt Saran, die ebenfalls am ECS-Unterricht teilgenommen hat.

Die Geschichte der Lehrerinnen Fanta und Marthe wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Guinea erstellt.

Kinder in Guinea unterstützen

Mit der Übernahme einer Kinderpatenschaft helfen Sie nicht nur Ihrem Patenkind und seiner Familie, sondern auch dabei, die Programme von Plan International vor Ort umzusetzen. In Guinea setzen wir uns unter anderem dafür ein, dass Bildungsangebote gemacht, die gesundheitliche Versorgung ausgebaut sowie berufliche Perspektiven geschaffen werden – und sich dadurch die Lebensbedingungen für Kinder, Familien und Gemeinden in den ländlichen Gebieten langfristig verbessern.

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