Tabu in Bewegung
Nach dem Unterricht nutzt sie jede freie Minute, um den traditionellen paraguayischen Tanz zu üben. „Tanzen hilft mir, nachzudenken“, sagt sie. „Und manchmal auch, den Mut zu finden, über Dinge zu sprechen, über die andere lieber schweigen.“
Rebeca ist 16 Jahre alt und lebt in Caaguazú, einer Region im Herzen Paraguays. Sie setzt sich gegen Kinderheirat ein – ein Thema, das in ihrer Gemeinde selten offen besprochen wird. „Ich möchte mich für alle Mädchen einsetzen, die unter Kinderheirat gelitten haben oder noch leiden“, sagt sie.
„Ein Eheversprechen im Tausch für ein ‚besseres Leben‘ – das ist keine Liebe. Das ist Erpressung.“
„Viele sehen Kinderehen als etwas an, das einfach dazugehört. Es wird kaum darüber gesprochen.“
Wenn Tradition zur Last wird
In Paraguay heiraten oder leben etwa 22 Prozent der Mädchen in Partnerschaften, bevor sie 18 Jahre alt sind. Vier Prozent tun dies schon vor ihrem 15. Geburtstag. Das Gesetz sieht zwar ein Mindestalter von 18 Jahren vor, erlaubt jedoch Ausnahmen ab 16, wenn Eltern oder Gerichte zustimmen.
Diese rechtlichen Lücken tragen dazu bei, dass frühe Ehen und Lebensgemeinschaften fortbestehen. Viele dieser Verbindungen sind informell und entstehen unter wirtschaftlichem Druck, familiären Erwartungen oder gesellschaftlichen Normen. Für die betroffenen Mädchen bedeutet eine frühe Ehe oft, die Schule abbrechen zu müssen, von ihren Freundinnen getrennt zu werden und Verantwortung zu übernehmen, bevor sie bereit dazu sind.
Ein Raum, um zu sprechen
Rebeca kam durch das Projekt “Jugend stärkt Jugend” von Plan International Paraguay zum ersten Mal mit dem Thema Kinderrechte in Kontakt. Die Initiative richtet sich an Schulen in ländlichen Regionen wie Caaguazú und schafft sichere Räume, in denen Jugendliche über Themen wie Gleichberechtigung, Frühverheiratung und Gewalt sprechen können. „In diesen Treffen habe ich gelernt, was Rechte überhaupt bedeuten“, erzählt sie. „Vorher dachte ich, das betrifft nur Erwachsene.“
In den Workshops von Plan International diskutieren Jugendliche ihre eigenen Erfahrungen und entwickeln Ideen, wie sie in ihren Gemeinden aufklären können. Rebeca begann, in ihrer Klasse über Kinderheirat zu sprechen und merkte, wie viele ähnliche Geschichten kannten. Aus dieser Erfahrung heraus schloss sie sich dem Jugendbeirat von Plan International Paraguay an, einem Gremium, das junge Menschen mit Vertreter:innen aus Politik und Zivilgesellschaft zusammenbringt. Dort können sie Vorschläge einbringen, Projekte gestalten und an Entscheidungen mitwirken.
Paraguay im Wandel
In Caaguazú organisiert Rebeca gemeinsam mit anderen Jugendlichen regelmäßig kleine Aufklärungsprojekte. Sie besuchen Schulen, gestalten Radiosendungen und planen Workshops, in denen über frühe Ehen gesprochen wird. „Manchmal fangen wir einfach mit einer Frage an“, erzählt sie. „Zum Beispiel: Wann ist man bereit, zu heiraten? Dann erzählen alle etwas, und plötzlich sprechen wir über Rechte, über Zukunft, über Träume.“ Wichtig sei, dass niemand verurteilt wird. Wir wollen verstehen, warum Dinge so sind und gemeinsam herausfinden, wie man sie ändern kann.“
„Ich träume von einer Gesellschaft, in der Mädchen frei sind – frei zu lernen, zu tanzen, zu träumen“, sagt Rebeca. „In der wir uns gegenseitig unterstützen, statt uns Grenzen zu setzen.“ Rebecas Engagement zeigt, dass Wandel dort beginnt, wo jemand den Mut hat, Fragen zu stellen.
Die Geschichte von Rebeca wurde mit Material aus dem paraguayischen Plan-Büro aufgeschrieben.