Selbstfindung im Land der tausend Berge

Foto: Plan International

Vom schüchternen Mädchen zum selbstbewussten Vorbild – Nidsa (15) setzt sich in den Bergen von Laos für Aufklärung und Gleichberechtigung ein.

Der Schulclub ist für Nidsa inzwischen ein festes Ritual. Jeden Donnerstag findet er direkt nach der Schule statt. Die 15-Jährige hat dort die Möglichkeit, mit ihren Klassenkamerad:innen über wichtige Themen zu diskutieren, insbesondere über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte.

Eingerichtet hat die Clubs Plan International. Sie werden in Grund- und Sekundarschulen in der Provinz Oudomxay – einer Bergregion im Nordwesten von Laos – organisiert und sollen jungen Menschen ein unterstützendes und sicheres Umfeld bieten. Vor allem soll dort Raum für sie sein, zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

Ein junges Mädchen mit geflochtenen Haaren sitzt auf einem Holzstuhl. Sie trägt ein blaues Shirt mit Plan-Logo und lächelt zaghaft in die Kamera.
Nidsa nimmt an einer Veranstaltung zum Weltmädchentag teil Plan International
Einige Männer gehen einen Schotterweg bergab. Er befindet sich inmitten von begrünten Hügeln.
Ein Projektteam von Plan International auf dem Weg in das Dorf Huaymong, Provinz Bokeo Plan International
Grüne Berglandschaft unter bewölktem Himmel
Grüne Berglandschaft in der Provinz Bokeo, einer Nachbarprovinz im Nordwesten von Oudomxay Plan International

Abgelegene Bergdörfer, traditionelle Rollenbilder

Prägend für die Provinz Oudomxay ist ihre eindrucksvolle Berglandschaft. Generell ist Laos von zahlreichen Gebirgen gesäumt, die insgesamt 90 Prozent der Fläche des südostasiatischen Landes ausmachen. Entsprechend schwierig ist die Versorgungslage – viele Dörfer können nur zu Fuß erreicht werden, und die Schulwege sind für Mädchen und Jungen teilweise sehr gefährlich.

Die meisten Menschen in Oudomxay leben in kleinen, abgelegenen Bergdörfern, oft weit entfernt von größeren Siedlungen und moderner Infrastruktur. Der Alltag ist stark landwirtschaftlich geprägt, vor allem durch den Anbau von Reis, Mais und Sojabohnen sowie durch Viehzucht und Waldwirtschaft.

Traditionelle Rollenbilder sind in den Dörfern noch sehr präsent und der Zugang zu Bildung für viele Mädchen und Jungen nicht gesichert. Der Einfluss von außen ist gering, wobei der vorsichtige Ausbau der Infrastruktur erste Veränderungen bringt.

Ein Mädchen und ein Junge sehen sich begeistert Bilder auf einer Digitalkamera an.
Nidsa und Satee lernen begeistert, wie sie Bilder mit einer Digitalkamera machen Plan International

Tabus aufbrechen, Selbstbewusstsein stärken

Die Schulclubs von Plan International wollen diese positiven Veränderungen unterstützen und gesellschaftliche Tabus aufbrechen, damit die Kinder in Oudomxay selbstbestimmt und gleichberechtigt aufwachsen. Und damit sie sich trauen, über schambehaftete Themen offen zu sprechen.

Als Nidsa anfangs der Gruppe beitrat, war sie noch sehr schüchtern, wie sie selbst sagt. Das hat sich aber im Laufe der Zeit geändert. Das Mädchen begann, immer mehr aufzutauen und eignete sich nach und nach neues Wissen an. „Ich kann jetzt erklären, wie sich unsere Körper entwickeln, welche Unterschiede es zwischen den Körpern von Mädchen und Jungen gibt und wie man mit der Menstruation umgeht“, erzählt sie selbstbewusst. Auch auf der Bühne vor einer großen Menschenmenge zu sprechen, mache ihr inzwischen viel weniger Angst.

„Für mich geht es bei der Hausarbeit nicht um Geschlechterrollen, sondern darum, Verantwortung zu teilen.“

Nidsa (15), Vorsitzende ihres Schulclubs in Laos

Das Wissen in die Familien tragen

Neben sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte lernen die Schüler:innen in den Schulclubs auch etwas über die Gleichberechtigung der Geschlechter. Unter der Leitung ihrer Lehrerin, Frau Kanik, erarbeitet die Gruppe Strategien zur Sensibilisierung, damit sie ihr Wissen mit anderen Kindern in der Schule teilen können. Das soll Mobbing, Missbrauch und Belästigung unter den Schüler:innen verringern.

„Was wir bei den Treffen gelernt haben, hat mir geholfen, mit meiner Familie, meiner Gemeinde und mit Freundinnen, die nicht zur Schule gehen, offen über Menstruation und sexuelle Gesundheit zu sprechen“, so Nidsa. „Es ist kein Tabuthema mehr und ich fühle mich jetzt sicher, diese Informationen zu teilen.“

Ein Mädchen steht im Klassenzimmer an zwei Plakaten und macht selbstbewusst Aufklärungsunterricht.
Nidsa klärt ihre Mitschüler:innen über sexuelle und reproduktive Rechte und Gesundheit auf Plan International
Ein Mädchen in einem bunten Kostüm, das offenbar selbstgebastelt ist. Die trägt eine selbstgemachte Krone aus Papier auf dem Kopf.
Zum Weltmädchentag hat Nidsa 2024 bei einem Sketch mitgewirkt Plan International

Auch in ihrem Alltag wendet das Mädchen ihr neu erlerntes Wissen an: „Für mich geht es bei der Hausarbeit nicht um Geschlechterrollen, sondern darum, Verantwortung zu teilen“, sagt sie. „Jeder kann kochen, die Wäsche waschen oder putzen. Ich zum Beispiel liebe es zu kochen, besonders für meine Familie.“ An diesem Tag hat Nidsa sich ein besonderes Rezept ausgesucht. Sie bereitet Tam Mak Hoong zu, einen scharfen Papayasalat, der als Aushängeschild der laotischen Küche gilt und auch gerne zu besonderen Anlässen serviert wird. Dazu gibt es bei Nidsa Spiegeleier.

Erster großer Auftritt am Weltmädchentag

Im Oktober 2024 wurden die Mitglieder des Schulclubs eingeladen, an den offiziellen Feierlichkeiten zum Weltmädchentag teilzunehmen. Der Tag, den die Vereinten Nationen auf Initiative von Plan International ausgerufen haben, macht weltweit darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern.

Nidsa wollte sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen und meldete sich kurzerhand freiwillig, um zusammen mit anderen Schüler:innen aus drei weiteren Schulen an der Veranstaltung mitzuwirken. „Wir leben alle in derselben Gemeinde“, erklärt sie. „Also haben wir uns nach dem Unterricht getroffen und gemeinsam Ideen für den Weltmädchentag gesammelt. Wir wollten gut vorbereitet sein, da es unsere erste große Veranstaltung war.“

Nach mehreren Brainstorming-Sitzungen beschlossen Nidsa und ihre Freund:innen, einen Sketch aufzuführen, in dem es darum ging, welche schädlichen Auswirkungen die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern innerhalb von Familien haben kann. Sie zeigten, wie ein Vater seinen Sohn gegenüber der Tochter bevorzugt und damit unwissentlich der Familiendynamik schadet. Mit der Aufführung machten die Kinder auch verständlich, wie positive Veränderungen entstehen, wenn sich die Menschen in einer Gemeinde gegenseitig unterstützen. „Es war aufregend, vor einem so großen Publikum aufzutreten”, fasst Nidsa den Tag stolz zusammen.

Eine Gruppe Kinder steht auf einer Bühne
Nidsa setzt sich offen für die Rechte von Mädchen ein Plan International

Eine junge Vorreiterin für die ganze Gemeinde

Frau Kanik bestätigt, dass die Teilnahme an den Schulclubs das Selbstwertgefühl der Mädchen und Jungen stärkt. „Sie lernen, Kontakte zu knüpfen und selbstbewusst mit Gästen in der Schule umzugehen. Ihre Entwicklung ist wirklich inspirierend“, freut sich die engagierte Lehrerin.

Nidsa selbst sagt, der Club habe sie motiviert, aus ihrer Komfortzone auszubrechen. „Letztes Jahr habe ich sogar die Rolle der Clubleiterin übernommen“, verkündet die 15-Jährige zufrieden. Als junge Führungspersönlichkeit will sie anderen jungen Menschen beim Lernen helfen und sich in ihrer Gemeinde weiterhin leidenschaftlich für Gleichberechtigung und Aufklärung einsetzen. Ihre Geschichte zeigt: Wer den Mut hat, etwas zu bewegen, kann mit der richtigen Unterstützung Großes erreichen.

Die Geschichte von Nidsa wurde mit Material aus dem laotischen Plan-Büro erstellt.

Zwei junge Mädchen halten ein Schild mit laotischen Schriftzeichen. Sie stehen draußen.
Nidsa begrüßt Besuch aus Japan an ihrer Schule Plan International

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Laos ist eines der ärmsten Länder des asiatisch-pazifischen Raums. Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1954 herrschten 21 Jahre lang bewaffnete Konflikte. Wir von Plan International setzen uns seit 2006 in Laos unter anderem dafür ein, Kindern den Zugang zu Bildung sowie eine gesunde Lebensumgebung zu bieten. Außerdem unterstützen wir Gemeinden dabei, ihre Landwirtschaft an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und so ihre Lebensgrundlagen zu sichern.

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