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Die Würzburgerin Katja Glatzer und die fünfjährige Rosayda haben sich schnell angefreundet.
Die Würzburgerin Katja Glatzer und die fünfjährige Rosayda haben sich schnell angefreundet.

„Mein kleines Inka-Mädchen“

Besuch bei der fünfjährigen Rosayda in Peru - Die Würzburger Redakteurin Katja Glatzer berichtete in der Main-Post, wie bei der Begegnung mit ihrem Patenkind in den Anden Herkunft und Sprache ihre Bedeutung verlieren und wie sich die Sicht auf das Leben verändert. Lesen Sie nachfolgend ihren Bericht.

Patenbesuch bei Rosayda

Auf holprigen Wegen geht es im Jeep die Berge hinauf. Unser Ziel: eine kleine Gemeinde inmitten der Anden auf etwa 3.400 Metern Höhe. Wir werden schon erwartet. Am Türrahmen eines der Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln lehnt ein kleines Mädchen. Ich kenne sie von Fotos, die mir meine Patenkind-Organisation Plan International geschickt hat. „Rosayda. Sie ist es wirklich“, denke ich, während das kleine Wesen mit den dunklen Augen und den rabenschwarzen Zöpfen mich neugierig beäugt. Dahinter pirscht sich ihre zweijährige Schwester Judith an in einem Kleidchen, unter dem die dicke, aus Alpaca-Wolle gestrickte Strumpfhose hervorschaut.

4.000 Meter über dem Meeresspiegel

Rosayda ist fünf Jahre alt. Ihre Familie ist arm und lebt - wie die meisten Bewohner in der peruanischen Region Ccorca - von der Landwirtschaft. Wegen der hohen Lage von etwa 3.100 bis 4.400 Meter über dem Meeresspiegel ist das Land hier nur schwer zu bearbeiten. Die Bauern pflanzen verschiedene Kartoffelsorten an, Mais und Bohnen. Quinoa - eine einheimische Hirsesorte -, Weizen und Gerste wachsen nur in der Regenzeit von Dezember bis März. Die Lebenserwartung der Bauern in der Gegend liegt wegen der schwierigen Bedingungen im Durchschnitt nur bei 55 Jahren.

Waschbecken vorm Haus

Katja Glatzer und ihr Plan-Patenkind
Katja Glatzer und ihr Patenkind vor dem Haus der Familie.

Rosaydas Familie hat Glück. Während sie bis vor kurzem ihr Wasser noch aus Flüssen, Bächen oder Quellen in der Nähe beziehen musste, hat sie nun ein Waschbecken vor dem Haus. Fließend Wasser bedeutet Lebensqualität und vermindert das Risiko, verunreinigtes Wasser zu trinken, so Plan-Mitarbeiterin Eleonor Herrera Pfuyo. Sie ist die Pädagogin vor Ort, besucht die verschiedenen Gemeinden und leistet Aufklärungsarbeit. Zusammen mit Luis Castro, Leiter des Plan-Büros in Cusco, ist sie auch bei meinem Besuch dabei. Das Projekt sei durch die Zusammenarbeit verschiedener Hilfsorganisationen mit der Stadt Ccorca gelungen, erklärt sie weiter. Dabei wird den Bewohnern auch gezeigt, wie sie dem Wasser Chlor beifügen.

Die ersten Wörter Spanisch

Die kleine Rosayda indes ist fasziniert von den bunten Haarspangen, die ich mitgebracht habe. Immer wieder fasst sie sich ins Haar und grinst. „Como estás? (Wie geht es Dir?)“, frage ich sie. „Bien“, sagt sie und grinst wieder verschmitzt. Ihre anfängliche Schüchternheit scheint schnell überwunden. Sie streicht mir über die Wange, spielt mit meinen Haaren und tanzt mit mir im Kreis herum. Eigentlich ist Rosaydas Muttersprache Quechua. Einst die Sprache der stolzen Inka-Bevölkerung, ist sie neben Spanisch die zweite Amtssprache Perus und wird von einem Großteil der indigenen Bevölkerung gesprochen. Ein paar Wörter Spanisch hat Rosayda in der Vorschule aber schon gelernt. Wenn sie im nächsten Jahr in die Grundschule geht, wird sie auch lernen, auf Spanisch zu schreiben.

Vertrauen beim Kampf gegen Alkoholmissbrauch

Erst vor drei Jahren ist die Region Ccorca im Südosten von Peru mit ihren insgesamt 2900 Einwohnern in das Hilfsprogramm von Plan International aufgenommen worden. Patenkinder wie Rosayda stehen dabei stellvertretend für die Gemeinschaft. Die Spendengelder werden für Projekte verwendet, von denen alle Menschen im Ort profitieren. Besonders wichtig ist es, dass Plan-Mitarbeiterin Herrera Pfuyo die Quechua-Sprache beherrscht. „Das beugt Verständigungsproblemen vor und schafft Vertrauen und Nähe.“ Vertrauen und Sensibilität sind besonders gefragt, wenn es um Themen wie Alkoholmissbrauch geht - in der Region Ccorca neben Analphabetismus und Unterernährung eines der größten Probleme. „In vielen Fällen ist es dadurch auch zu Aggressivität und Gewalt in den Familien gekommen.“, erzählt die Pädagogin. Durch Aufklärung und viele Gespräche sei es gelungen, diese Sorge einzudämmen.

Workshops für gesündere Ernährung

Treffpunkt für junge Mütter und Kinder
Zu Besuch bei einem Treffpunkt für junge Mütter und ihre Kinder.

Ein Gang durch die kleine Gemeinde führt zu einem der neuesten Projekte von Plan in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum von Ccorca: zu einem etwa 30 Quadratmeter großen Raum, der als Treffpunkt für Mütter mit kleinen Kindern hergerichtet wird. Hier gibt es zum Beispiel Teddys, Bälle, Stifte und Malbücher. Rosayda und die zweijährige Judith stürzen sich auf die Puppen und sind fasziniert von den Mobiles, die von der Decke baumeln. An den Wänden Plakate, die der Aufklärung dienen. „In Workshops informieren wir hier über die gesunde Ernährung von Kindern, auch schon während der Schwangerschaft. Eltern sollen lernen, ihre Kleinen liebevoller zu erziehen und ihnen gesündere Mahlzeiten zu kochen.“, so die Plan-Mitarbeiterin.

Regelmäßiges Messen und Wiegen

Um gegen Unterernährung anzugehen, werden im Gesundheitszentrum die Kleinsten regelmäßig gewogen und gemessen. In den Gemeinden um Ccorca sind immer noch 25 Prozent der Kinder chronisch unterernährt, zwei Prozent leiden unter schwerer Mangelernährung. Unerlässlich ist für die Hilfsorganisation auch das Einbeziehen der Dorfbewohner in die Projekte. „Dadurch gewinnen sie Glauben an sich selbst, der ihnen durch ihre Armut oftmals genommen wurde.“, so Herrera Pfuyo. Erwachsene und Kinder lernen, ihre Sorgen und Nöte zu benennen, und „wir suchen gemeinsam nach Lösungen“. So hat auch Rosaydas Vater Bonifacio schon ein Training durchlaufen und war Ansprechpartner in seiner Gemeinde.

Zum Abschluss eine Runde Kicken

In seinem karg eingerichteten Zuhause hat er Plakate aufgehängt, da steht zum Beispiel „Vor dem Essen Hände waschen“. Momentan kann er sich glücklich schätzen, hat er doch für ein paar Monate Arbeit auf dem Bau gefunden. Eine weiterführende Schule wird für die Gegend gerade errichtet. Davon werden seine Töchter später profitieren, hofft er. Doch jetzt ist angesagt, was allen Kindern Spaß macht, egal ob arm oder reich: Fußballspielen, auch wenn die Wiese mit Kuhfladen übersät ist. Ich bin dabei. Danach gibt es eine Abschiedsumarmung und ein Geschenk: Rosaydas Mutter Albertina hat mir ein Armband geknüpft mit dem Namen der Fünfjährigen. Auf dem Rückweg nach Cusco, mit dem Jeep über die holprige Schotterpiste, werde ich nachdenklich. Meine Sicht der Dinge auf das, was im Leben wirklich zählt, hat sich durch meinen Besuch verändert.