Von Bonn nach Bolivien
Klaus Hollmann ist seit 1995 Pate bei Plan International. Im vergangenen September hat er sein aktuelles Patenkind, die 15-jährige Jhenny, in Bolivien besucht. Gefallen hat ihm besonders, dass die Förderung dort ankommt, wo sie benötigt wird. Lesen Sie nachfolgend seinen Bericht.
Patenkindbesuch bei Jhenny
Ich habe auf meiner Reise durch die Anden am 17. September 2012 wie geplant mein Patenkind Jhenny in ihrer Gemeinde besucht. Ich werde diesen Tag so schnell nicht vergessen. Was ich erlebt habe, hat mich sehr überrascht und zutiefst beeindruckt.
Pünktlich um 8.30 Uhr wurden wir in unserem Hotel in La Paz abgeholt. Edberto, der für drei Gemeinden auf dem Alto Plano, zu dem auch die Gemeinde von Jhenny gehört, zuständige Betreuer und Berater, Daniel, der Verbindungsmann im Projektbüro, und Maria, die uns als Dolmetscherin begleitete, begrüßten uns, Johann und mich, vor dem Hotel. Die Atmosphäre zwischen uns war freundlich und sonnig, wie das Wetter. Als Erstes gingen wir in einen Supermarkt, denn wir wollten ja auch der Familie von Jhenny ein Gastgeschenk mitbringen. Maria half uns dabei, das Richtige für die Familie zu finden: Reis, Nudeln, Öl, Süßigkeiten, also alles Dinge des täglichen Lebens, die die Familie sonst nur mit viel Aufwand selbst beschaffen kann, wurde eingekauft. Dazu für uns alle Obst und Getränke für den Tag.
Gegenverkehr auf vier Beinen
Mit dem Jeep fuhren wir dann über die steilen Straßen von La Paz hinauf nach El Alto und von dort über die Weiten des Alto Plano. Wir überquerten einen Pass Richtung Norden und erreichten sehr bald unser Ziel, die Gemeinde von Jhenny und ihrer Familie. Auf der Straße herrschte reger Gegenverkehr in Form von Kuh- und Schafherden, die wohl auf die Weiden geführt wurden. Während Edberto alle Menschen auf der Straße durch sein geöffnetes Fenster freundlich mit ihren Namen begrüßte, stieg bei uns im Auto die Spannung. Dann war es soweit: Edberto zeigte uns das Haus der Familie von Jhenny, alles verputzt und mit heller Farbe angestrichen. Ich war total überrascht. Als wir am Haus vorfuhren, erwartete uns die Familie bereits. Die Mutter und der Vater von Jhenny begrüßten uns ganz herzlich. Aufgrund der vielen Bilder, die wir im Laufe der Zeit ausgetauscht hatten, fühlten wir uns gar nicht wie Fremde, sondern eher wie langjährige Freunde. Jhenny war noch in der Schule. Sie sollte etwas später zu uns kommen.
Wir wurden in das Wohnzimmer der Familie geführt. Es war ein freundlich und hell gestalteter Raum mit farbigen Vorhängen an den Fenstern und einem mit einer Art Stragula ausgelegten Fußboden. Wir nahmen an einem großen Tisch Platz. Es wurde ein Begrüßungsgetränk serviert, und es wurden sehr viele Informationen ausgetauscht. Der Vater von Jhenny, der selbst einmal Patenkind bei Plan war, erklärte uns sehr lebhaft und angeregt die Arbeitsweise von Plan und die Leistungen, die von Plan für die Familie und die gesamte Gemeinde erbracht wurden.
Er erzählte uns auch ganz stolz, dass er das Wohnhaus selbst erbaut hatte. Lediglich bei der Beschaffung des Materials wurde er von Plan finanziell unterstützt. Wir erfuhren, dass jeder Bauer in der Gemeinde seit der Bodenreform über zwei Hektar Land für den Anbau von Kartoffeln, Bohnen und vieler anderer Produkte eigenverantwortlich verfügen kann. Wir erfahren auch, dass es in der Gemeinde sehr demokratisch zugeht. Jeweils für ein Jahr wird ein Bürgermeister gewählt. Dazu gibt es Ausschüsse für spezielle Themen. Die Mitglieder der Gemeinde sind so in allen Angelegenheiten der Gemeinschaft aktiv eingebunden.
Eine selbstgestrickte Mütze zum Dank
Dann kam Jhenny. Sie hatte die Schule, die ja ganztägig ist, unterbrochen. Sie trug Hosen, darüber den blauen Schulpullover und Turnschuhe. Zur Begrüßung gab es eine Umarmung. Ich war sehr gerührt über diese erste Begegnung. Wir setzten uns gegenüber, und es gab viel zu erzählen. Sie hatte für mich ein Geschenk vorbereitet: Eine landestypische Mütze hatte sie eigens für mich gestrickt und probierte sogleich aus, ob sie mir auch passt. Ich überreichte ihr als Gastgeschenk einen Kalender mit insgesamt 52 Bildern von Deutschland und sie hörte sehr interessiert zu, als ich ihr mit Unterstützung durch Maria einige der Bilder etwas detaillierter erklärte. Dazu gab ich noch eine bunte Halskette. Ihre Unbekümmertheit und Aufgeschlossenheit, mit der sie auf mich zu ging, hat mich sehr beeindruckt. Ich verteilte noch die mitgebrachten Waren an die Familie. Jeder bekam eine Tüte, und die Freude darüber war bei der Familie groß.
Der Vater von Jhenny führte uns dann durch sein Hofgelände. Er zeigte uns seine 11 Kühe. Sie sind seine einzige Erwerbsquelle. Die Milch, die von den Bauern der Gemeinde produziert wird, wird regelmäßig von der regionalen Molkereigesellschaft vor Ort abgeholt. Wir erfuhren, dass es für die Familie sehr beschwerlich ist, zum Einkaufen nach El Alto, der nächstgelegenen Stadt, zu gelangen. Bis zur ersten Bushaltstelle dorthin benötigen sie zu Fuß fast drei Stunden!
Der Vater von Jhenny hat darüber hinaus noch einige Schafe und viele Cuys, eine Art Meerschweinchen, die zum Eigenverzehr bestimmt sind. Cuys sind in Bolivien eine sehr beliebte Delikatesse. Stolz zeigt er uns auch sein Gewächshaus, in dem er in der Regenzeit verschiedene Sorten von Gemüse und Salaten anbaut. Im Hof demonstrierte er uns die neu eingerichtete Wasserstelle, die die Familie mit trinkbarem Wasser versorgt. Edberto erklärte dazu, dass Plan für die Gemeinde die Versorgung alle Gehöfte mit trinkbarem Wasser über einen neuen Brunnen realisiert hat.
Schulbesuch mit flotten Rhythmen
Nach diesem Rundgang verabschiedeten wir uns von der Familie und fuhren zusammen mit Jhenny zu den Schulen, der Primary School für die eigene Gemeinde und der Secondary School, die auch von Kindern benachbarter Gemeinden besucht wird. Beide Schulen wurden von Plan erbaut. Die Lehrer sind Staatsangestellte. Jhenny zeigte uns ihren Klassenraum. Sie ist mit ihren 15 Jahren die Jüngste in der letzten Klasse der Secondary School. Es war gerade Pause. Die Jungs der Klasse spielten und sangen gerade flotte Rhythmen und die Mädchen standen schnatternd daneben, als wir mit Jhenny eintraten. Dann hieß es Abschied nehmen, denn Jhenny verblieb in der Schule.
Der Einblick in die konkrete Arbeit von Plan war für uns sehr beeindruckend, die Freundlichkeit mit der wir über den gesamten Tag betreut wurden und die Fülle von Informationen, die wir erhalten haben, haben mich in meiner Überzeugung bestärkt, mit meinen Patenschaften genau das Richtige zu tun.