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Martin Schatke mit Patenkind Zacarias
Froh, dass der Besuch doch noch geklappt hat: Martin Schatke mit Patenkind Zacarias und seiner Familie.

Unruhige Zeiten in Sucre

Martin Schatke aus Münster nutzte seinen ersten Bolivienaufenthalt vor drei Jahren, einen Abstecher bei seinem Patenkind in der Nähe von Sucre zu machen. Mittlerweile hat der junge Student den zwölfjährigen Zacarias und seine Familie ein zweites Mal besucht. Sein Bericht:

Patenkindbesuch bei Zacarias

Nachdem ich vor einigen Jahren meine Schreinerlehre beendet hatte, beschloss ich, für kurze Zeit im Ausland zu arbeiten. Meine Wahl fiel auf Bolivien. Ich wollte dort in der Nähe von Sucre Maschinensicherheitskurse geben. Außerdem lebt mein Patenkind Zacarias in der Nähe. 2006 reiste ich das erste Mal nach Bolivien. Im Juli machte ich mich auf den Weg in das Dorf meines Patenkindes. Andrès, unser Begleiter, der auch zuständig für das „Bundesland“ Chuquisaca in Bolivien ist, nutzte die Fahrt, um noch einige andere Dörfer in der Umgebung zu besuchen und sich mit den Mitarbeitern vor Ort abzusprechen. Seine  Arbeit bei Plan begann Andrès als Übersetzer. Ausführlich erzählte er mir von den Projekten vor Ort. Der Schwerpunkt der Arbeit von Plan lag zu diesem Zeitpunkt auf der Errichtung von Schulen und Krankenstationen sowie auf der Sicherstellung der Wasserversorgung. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und die regionalen Traditionen und Umgangsformen waren Thema unseres Gespräches. Wir unterhielten uns in einem Mischmasch aus Englisch und Spanisch.

Pate viel jünger, als erwartet

Im Dorf holte ich Zacarias mit Andrès von der Schule ab. Ich war schneller vor Ort, als mein erster Brief, den ich erst eine Woche vor Reiseantritt abschickte. Die Familie von Zacarias erwartete daher einen älteren Deutschen, der sein Patenkind besuchen wollte. Dass nun aber ein Zwanzigjähriger, der noch nicht einmal sein Vater sein konnte, ins Dorf spaziert kam, verwunderte erst einmal alle Anwesenden. Die Familie spricht Quechua, dessen ich zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise mächtig war. In ihrer Gemeinde ist Quechua die am meisten verbreitete indigene Sprache. Zacarias lernt in der Schule Spanisch und so konnte ich mich auf dem Weg zu seinem Haus ein wenig mit ihm unterhalten. Ob er gerne Fußball spielen würde, fragte ich ihn und er verneinte. Verdammt, dachte ich und ärgerte mich über den Fußball in meinem Rucksack. Später, beim Verspeisen von Kartoffeln, Ei und scharfer Peperoni-Sauce, erzählte mir seine Mutter Dominga, dass Zacarias in der Schule gut mitkommt, die Hausaufgaben aber manchmal unter seiner Fußballmanie leiden würden.

Fußball als Eisbrecher

Also hatte ich doch nicht das falsche Gastgeschenk mitgebracht. Nachdem ich meine Geschenke - etwas Gemüse und Nudeln - überreicht hatte, zauberte ich den Ball hervor und Zacharias begann sofort mit seinen Brüdern das Leder durch die Hütte zu treten. Wohl kulturell weltweit gleiche Szenen offenbarten sich: Die Mutter von Zacarias schallt ihre Sprösslinge, das Treiben nach draußen zu verlagern. Dort spielte ich ein bisschen mit den Jungs Fußball, und konnte so in dieser international anerkannten Kommunikationsform den Kontakt verbessern. Zacarias erzählte mir währenddessen, dass es seit einigen Monaten in seinem Dorf mechanische Brunnen gäbe, und dass sein Vater einer der angelernten Installateure sei. Stolz trug er die Kappe seines Vaters mit der Aufschrift „agua tecnicas Plan“.

Uncool: Mit Poncho in die Schule

Der Besuchstag fiel auf einen Montag - ein glücklicher Zufall! Denn am Montag tragen die Schüler ihre traditionelle Kleidung: die Jungen einen gestreiften Poncho und die Mädchen schwarze Unterkleidung, über die sie eine rote, gewebte Decke zu einem Kleid wickeln und über der Schulter mit einer Sicherheitsnadel befestigen. Die Jungen zogen ihren Poncho  allerdings direkt nach der Schule wieder aus, sie hielten dieses Outfit für ziemlich uncool. Die Mädchen fanden sich hingegen sehr schick. Einige von ihnen kamen sogar vorbei, nachdem sie den blassen Gringo vorsichtig beäugt hatten und fragten mich, ob sie denn für ein Foto posieren dürften. Zum Abschied schenkte mir Dominga eine kleine selbstgewebte Umhängetasche, in der ich nun in Deutschland Zeitungen transportiere. Dieser Besuch war ein ungeheuer schönes und spannendes Erlebnis, das auch den folgenden Briefkontakt deutlich erleichterte. 

Politische Unruhen in Sucre

Nach meiner Rückkehr nach Deutschland begann ich Soziale Arbeit zu studieren. Als das berufsbezogene Praktikum anstand, nutzte ich die Chance, ein zweites Mal nach Bolivien zu gehen. Dieses Mal arbeitete ich in Sucre in einem Kinder- und Jugendzentrum für straffällige Jugendliche, vergleichbar mit einem Jugendarrest hier. Dort arbeitete ich von Juli bis Mitte November 2008. Es war eine Erfahrung, durch die ich sehr viel gelernt habe und durch die ich auch viel über mich sowie über Bolivien erfahren habe. Leider fiel mein Aufenthalt in die Zeit des politischen Umbruches in Sucre, der auch meine Arbeit beeinflusste. Die Direktion meiner Arbeitsorganisation wechselte und alle bisherigen Mitarbeiter wurden verdächtigt, mit der Opposition zu sympathisieren. Insgesamt arbeitete ich unter vier Chefs und reichlich chaotischen Bedingungen.

Zweiter Besuch zunächst gecancelt

Auch landesweit hatte sich die Situation verschärft. Plan sagte daher aus Sicherheitsgründen alle Patenbesuche ab. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mit meinem zweiten Besuch zu warten. Im Oktober beruhigte sich die Lage insoweit, dass die politischen Sprecher/Innen sich wieder zusammen an einen Tisch setzten und Städte nicht mehr länger durch Blockaden von der Außenwelt abschnitten wurden. Ich konnte nun mit Andrès Camacho endlich einen Termin für den Besuch ausmachen. Wie beim ersten Besuch lief alles sehr gut. Mit Andrès hatte ich wieder einen spannenden Gesprächspartner, diesmal konnten wir uns auf Spanisch unterhalten. Ich erfuhr von ihm, dass Plan sich weitgehend aus der Politik heraushält, gerade auch in unruhigen Zeiten, da nur so ein kontinuierliches Arbeiten gewährleistet werden kann.

Vertraute Gesichter

Als wir das Dorf der Familie erreichten, kamen uns Dominga, Zacarias, seine Brüder Wilder und Nestor und seine kleine Schwester Liliana entgegen. Wir suchten ihre Hütte auf und mir fiel sofort auf, dass diese um ein paar Anbauten gewachsen war. Die Familie hat nun eine Kochstelle und eine Vorratskammer. Das Grundstück ist umzäunt, sodass die überall herumstreunenden Haustiere nicht hineinlaufen können. Außerdem gab es zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinde seit einer knappen Woche Strom und somit elektrisches Licht in den Hütten. Wir aßen gemeinsam zu Mittag, es gab Kartoffeln und Mais.

Ich überreichte Dominga eine Teekanne aus meinem Heimatdorf Adendorf. Da fiel mir auf, dass Liliana verschwunden war. Wir fanden sie in der Küche, in der sie das Geschirr spülte, ohne dass sie dazu aufgefordert worden war. Das Mädchen ist noch nicht einmal drei Jahre alt und hilft schon selbstverständlich im Haushalt mit.

Auch der zweite Besuch war wieder ein sehr schönes und interessantes Erlebnis. Ich denke, es wird nicht der letzte sein. Eigentlich bin ich mir sehr sicher, dass ich noch einmal in die Anden fahren werde.