
Ein Sommer-Camp, das bewegt
In den ländlichen Regionen Indiens in Jharkhand und Rajasthan stehen viele Mädchen und junge Frauen vor tiefgreifenden Herausforderungen: Schulabbrüche, Armut, frühe Heiraten und unsichere Arbeitsmigration sind für sie Alltag. Das Projekt „Balika Shivir“, ein Camp und Workshop für Mädchen von Plan International, setzt genau hier an. Es richtet sich an 13- bis 24-Jährige, die ihre Schulbildung aus verschiedenen Gründen abbrechen mussten, und eröffnet ihnen neue Chancen durch gezielte Lernprogramme und berufsorientierte Qualifizierung.
Auch Führungskompetenzen und gesellschaftliche Teilhabe spielen eine wichtige Rolle: In sogenannten „Sakhi Sangam“-Gruppen (Freundinnenkreise) engagieren sich die Teilnehmerinnen aktiv in ihren Gemeinden. Sie setzen sich für Geschlechtergerechtigkeit ein, hinterfragen traditionelle Rollenvorstellungen und wirken als Impulsgeberinnen für sozialen Wandel – mit Mut, Wissen und Gemeinschaftssinn.


Im Rahmen eines Alumniprogramms fördern ehemalige Teilnehmerinnen als Mentorinnen in kreativen Workshops die persönliche Entwicklung der Mädchen – durch Tanz, Yoga, Geschichtenerzählen und indem sie eigene Erfahrungen teilen. Sie zeigen damit: Bildung endet nicht mit einem Abschluss, sondern bleibt ein lebenslanges Privileg.
Diese Freiwilligenarbeit basiert auf dem indischen Prinzip des „Sewa Bhav“ – dem tief verwurzelten Wunsch, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. So wird sich gegenseitig bestärkt und Wissen untereinander weitergegeben.








Stimmen der Veränderung – Fünf Geschichten
Rajni, Mamta, Malti, Kavita und Bojmati sind Teilnehmerinnen des „Balika Shivir“-Projekts. Ihre Geschichten zeigen, was geschieht, wenn Mädchen als Gestalterinnen ernst genommen werden. Was bleibt, sind nicht nur individuelle Lernerfolge – sondern eine Bewegung, die Generationen verändern kann.


Rajni: Vom Feld zur finanziellen Unabhängigkeit
Rajni lebt mit ihren Eltern und zwei Brüdern in Jharkhand. Um ihre Familie zu unterstützen, arbeitet sie auf den Feldern, für umgerechnet rund 12 Euro im Monat. Trotz der harten Arbeit besucht sie regelmäßig das „Balika Shivir“-Zentrum. Da sie kein Bankkonto hat, spart sie ihr Geld in einer kleinen Box zu Hause – verborgen, aber unsicher. Ein Finanzbildungstraining von Plan International bringt die Wende: Rajni eröffnet ihr erstes Bankkonto, lernt, wie man sicher spart und Zinsen nutzt. Heute hilft sie nicht nur sich selbst, sondern berät auch andere in ihrer Gemeinde. „Ich habe gelernt, dass Wissen Macht ist – nicht nur für mich, sondern für alle, die ich unterstützen kann“, sagt sie stolz.
Mamta: Lernen trotz Verlust
Mamta verliert ihren Vater während der Corona-Pandemie. Die familiäre Belastung zwingt sie, ihre Schulbildung in der 6. Klasse abzubrechen. Doch ihr Wille zu lernen bleibt ungebrochen. Im „Balika Shivir“-Zentrum findet sie nicht nur Bildungsangebote, sondern auch emotionale Unterstützung.
Mit außergewöhnlichem Fleiß und der Hilfe ihrer Lehrerinnen besteht sie die 10. Klasse mit einer 2,3 – ein Ergebnis, das ihr den Wiedereinstieg ins reguläre Schulsystem ermöglicht. Ihr Mut und ihr Durchhaltevermögen machen sie zu einem Vorbild für eine ganze Generation.



Malti: Gemeindevertreterin und Schülerin
Malti wird mit 28 Jahren zur „Pradhan“, einer gewählten Gemeindevertreterin. Doch da sie ihre Schulbildung früh beenden musste, ist sie bei ihrer Amtsausübung auf die Hilfe anderer angewiesen. Das wurmt sie einerseits, und motiviert sie zugleich.
Als sie vom „Balika Shivir“-Zentrum hört, schließt sie sich kurzerhand de Gruppe an, lernt täglich, besteht die 10. Klasse und inspiriert 34 weitere Mädchen, es ihr gleichzutun. Heute führt sie ihr Amt mit Selbstvertrauen und Weitblick.


Kavita: Schule als Zuflucht
Nach der Trennung ihrer Eltern muss Kavita mit ihrer Mutter und zwei jüngeren Schwestern in das Haus ihres Onkels ziehen. Ihre Schullaufbahn scheint beendet. Doch durch die regelmäßigen Besuche einer Lehrkraft vom „Balika Shivir“-Zentrum keimt neue Hoffnung in ihr. Mit viel Disziplin und Unterstützung besteht sie die 10. Klasse und wird an einer öffentlichen Schule aufgenommen. Ihre Rückkehr zum Unterricht ist mehr als ein persönlicher Erfolg – sie ist der Beginn eines neuen Weges. Denn Kavita entwickelt sich schnell zu einer führenden Stimme im Projekt: Als Präsidentin ihrer „Sakhi Sangam“-Gruppe setzt sie sich für nachhaltige Landwirtschaft und bessere Bildung in ihrem Dorf ein. Sogar die Bezirksverwaltung würdigt ihr Engagement.
Bojmati: Von der Küche zum Mikrofon
Bojmati träumt davon, Nachrichtensprecherin zu werden. Früher musste sie ihre Bücher oft zur Seite legen, um im Haushalt mitzuhelfen. Im „Balika Shivir“-Zentrum findet sie Raum, ihre Neugier zu entfalten und ihre Stimme zu entdecken.
Sie besteht die Schulabschlussprüfung mit einer 2,3 und erhält eine Auszeichnung der Bezirksbehörde. Sie sagt: „Mein Traum ist es, meine Stimme zu nutzen, um anderen Mädchen Mut zu machen, ihre Bildung nicht aufzugeben.“


Wenn Mädchen gemeinsam Veränderung bewirken
In Dörfern wie Rajasthan fehlte es lange Zeit an grundlegender Infrastruktur. Es waren die Mitglieder der „Sakhi Sangam“-Gruppen, die sich zusammentaten, bei der lokalen Verwaltung intervenierten und durch Beharrlichkeit Verbesserungen erkämpften.
Diese Erfolge zeigen: Wenn Gemeinschaften selbst für ihre Rechte eintreten können, entsteht echte und nachhaltige Veränderung – fair, lokal verankert und von den Mädchen selbst getragen.
Die Geschichten von Rajni, Mamta, Malti, Kavita und Bojmati wurden mit Material aus dem indischen Plan-Büro aufgeschrieben.