Die eigenen Träume gehen lernen

Foto: Viral Bug

In Indien bekommen junge Menschen die Chance, neue Karrierelaufbahnen einzuschlagen und ihren Lebensweg selbst zu wählen. Drei Mädchen erzählen.

Den richtigen Beruf für sich zu finden, kann sehr entmutigend und kräftezehrend sein. Zwischen hartem Wettbewerb, familiärem Druck und gesellschaftlichen Erwartungen verzweifeln Jugendliche weltweit an eben dieser Aufgabe. So auch in Delhi – Indiens weitläufiger und geschäftiger Hauptstadt. Hier kämpfen junge Arbeitssuchende mit einer harten Konkurrenz um Stellen, einem Mangel an erforderlichen Fähigkeiten, begrenzten Beratungsangeboten und wirtschaftlichem sowie sozialem Druck.

Um jungen Menschen eine Orientierungshilfe auf dem Karriereweg zu geben, bietet Plan International Indien in fünf Bezirken der Hauptstadt ehemaligen Patenkindern zwischen 18 und 24 Jahren eine Berufsberatung an. Der Schwerpunkt des Projekts „Breaking Boundaries“ liegt auf Mädchen, da ihre Berufsfindung unter anderem wegen gesellschaftlicher Diskriminierung und stereotypen Rollenbildern mit zusätzlichen Hürden verbunden ist. 

Eine junge Frau bedient eine Kundin in einem Laden für Bastel- und Geschenkwaren
Annu (li.) konnte durch die Unterstützung des Plan-Projekts ihren eigenen Laden aufmachen Viral Bug
Ein junger Mann in Anzug und Krawatte steht auf einer von Häusern gesäumten Straße
Gautam schlägt eine Karriere in der Luftfahrtindustrie ein Viral Bug
Eine Mutter und ein Vater stehen neben ihrer Tochter. Alle drei Lachen ausgelassen
Auch Projektteilnehmerin Tanya (Mitte) hat mit Unterstützung von Plan International ihren Weg gefunden: Sie will Kosmetikerin werden Viral Bug

Mehr als nur oberflächliche Beratungsgespräche

Die Kinderrechtsorganisation bietet jungen Frauen und Männern strukturierte Orientierung und Beratung zu Hochschulbildung, Berufsausbildung und den Weg in die Selbstständigkeit. Beratungsgespräche, Workshops und Treffen mit Branchenexpert:innen helfen, die Kluft zwischen Wünschen und Möglichkeiten zu überbrücken. So lernen die Jugendlichen, eigenständige und informierte Entscheidungen zu treffen und verbessern ihre Beschäftigungschancen.

Junge Menschen sollen auch unkonventionelle Karrierewege gehen dürfen.

Was besonders gefördert wird, sind unkonventionelle Karrierewege. Plan International will junge Menschen ermutigen, Berufsmöglichkeiten jenseits traditioneller Geschlechterrollen zu erkunden, um Schritt für Schritt die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt voranzutreiben. Auch Väter werden aktiv in das Projekt eingebunden, um die Berufswahl ihrer Kinder, insbesondere ihrer Töchter, zu unterstützen.

Drei ehemalige Patenmädchen berichten von den Erfahrungen und Chancen, die sie aus dem Projekt mitgenommen haben:

Eigene Hürden meistern, um anderen zu helfen

Die Familie der 18-jährigen Neha hatte oft mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Vier Kinder wollten versorgt, unterstützt und gefördert werden. Wie wichtig Bildung für ihre Kinder ist, haben die Eltern unter anderem durch das Patenschaftsprogramm gelernt. Als Neha dann volljährig wurde, bekam sie Zugang zum Berufsberatungskurs.

Das Mädchen wollte immer Krankenschwester werden, war sich aber unsicher, ob sie für diesen Beruf geeignet war. Mangelndes Selbstvertrauen erschwerte ihr die Entscheidung. Die Beratungsgespräche des „Breaking Boundaries“-Projekts haben ihr geholfen, sich und ihre Fähigkeiten besser einschätzen zu können. Als sie von einem gebührenfreien Ausbildungsplatz für Pflegehilfskräfte hörte, wagte sie schließlich den entscheidenden Schritt.

Eine junge Frau in pinker Pflegerinnenkleidung und einem Rucksack über der Schulter geht zwischen Häuserreihen hindurch
Neha ist auf dem Weg zu ihrer Arbeit in einer Klinik in Delhi Viral Bug
Eine Gruppe Frauen steht zusammen und lächelt selbstbewusst und zufrieden in die Kamera
Neha ist für viele in ihrer Gemeinde zu einem Vorbild geworden Viral Bug
Eine junge Frau hört mit einem Stethoskop Herztöne ab
Neha hört mit einem Stethoskop die Herztöne ihrer Patient:innen ab Viral Bug

Neha absolvierte drei Monate Theorie und ein zweimonatiges Praktikum im Krankenhaus. Allerdings merkte sie bald, dass ihr wichtige Computerkenntnisse fehlten. Also wandte sie sich erneut an die Berufsberatung, die ihr einen kostenlosen Grundkurs für Computeranwendungen vermittelte. Mit Ausdauer und Unterstützung meisterte Neha schließlich auch diese Hürde und ist inzwischen als Pflegehelferin im Krankenhaus angestellt. „Ohne die Unterstützung von Plan International und den Rückhalt meiner Eltern hätte ich meine Träume nicht verwirklichen können“, sagt die 18-Jährige.

Ihrem Traum, eine erfolgreiche Krankenschwester zu werden, ist sie damit ein ganzes Stück näher gekommen. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber ihrer Berufswahl strahlt mittlerweile auch ihr Vater jedes Mal vor Stolz, wenn sie ihre Uniform anzieht und als Vorbild für junge Mädchen in ihrer Gemeinde ihren Weg geht.

Von der Hausfrau zur Chefköchin

Anjali ist die jüngste von drei Geschwistern und wuchs ebenfalls in eher ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater verdiente als Fabrikarbeiter mehr schlecht als recht. Als er starb, musste sich die Familie plötzlich selbst versorgen. Anjalis Mutter und ihre älteren Geschwister gingen arbeiten, während Anjali allein den Haushalt führte.

Weil ihr dadurch kaum noch Zeit für ihre Hausaufgaben blieb, pausierte sie nach der 10. Klasse die Schule für ein Jahr. Danach kam sie als Patenkind zum „National Institute of Open Schooling“, um ihre Bildung fortzusetzen. Allerdings wusste auch sie nicht, welchen Berufsweg sie nach der Schule einschlagen sollte. Erst in den Beratungsgesprächen offenbarte sich ihre Begeisterung für das Kochen.

Mutter und Tochter sitzen nebeneinander und blicken sich liebevoll und lachend an
Anjalis Mutter ist sehr stolz auf das, was ihre Tochter geschafft hat Viral Bug
Eine Gruppe Mädchen steht lachend im Halbkreis zusammen
Für Anjali (Mitte in weiß) und ihre Freundinnen bietet die Jugendgruppe einen Rahmen, um sich gegenseitig zu bestärken und auszutauschen Viral Bug
Eine Gruppe junger Frauen sitzt auf dem Boden im Kreis und tauscht sich aus. Sie haben alle Hefte und Stifte vor sich.
Anjali (Mitte) nimmt mit ihren Freundinnen an einem Workshop im Trainingszentrum von Plan International teil Viral Bug

Wegen der hohen Kosten für die Kochkurse lehnte ihre Familie die Ausbildung erstmal ab. Sie wollten, dass Anjali einen angesehenen Posten in der Regierung bekommt – von der Karriere als Köchin waren sie nicht begeistert. Daraufhin nahm Plan International Kontakt zu Anjalis Onkel auf, der ihre Mutter und ihren Bruder davon überzeugte, wie wichtig Leidenschaft bei der Berufswahl ist und sie zu einem Informationsbesuch überredete. Schließlich erlaubte die Mutter den Kochkurs, und Anjali meldete sich an.

Heute hat sie eine Stelle als Junior-Köchin in einem renommierten Krankenhaus und unterstützt ihre Familie finanziell. „Ich habe einen unkonventionellen Weg gewählt, den ich jetzt dank meinem Onkel und mit der Hilfe von Plan International gehen kann“, sagt sie. Anjalis Ehrgeiz ist aber noch nicht gestillt – sie träumt davon, Chefköchin zu werden. 

„Ich möchte einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben und meine Familie unterstützen können.“

Afsana (18), ehemaliges Patenmädchen und angehende Sozialarbeiterin aus Indien
Eine Gruppe junger Menschen steht zwischen Mehrparteienhäusern hintereinander. Sie zeigen ihre Solidarität füreinander, indem sie sich gegenseitig an die Schulter fassen. Ganz vorne steht selbstbewusst ein Mädchen mit verschränkten Armen
Die Mitglieder der Jugendgruppe aus Delhi stärken sich gegenseitig den Rücken Viral Bug

Gesellschaftliches Engagement zum Beruf machen

Afsana ist mit zehn Geschwistern aufgewachsen. Um bessere Berufs- und Bildungschancen für die Kinder zu haben, zog die Familie nach Delhi – aber da der Vater nur einfacher Mechaniker war, konnte er nicht jedem seiner Kinder eine gute Bildung finanzieren. Afsana bekam als Patenmädchen Unterstützung von Plan International. Sie bewunderte das Engagement der Sozialarbeiter:innen und war fasziniert, wie sie die Herausforderungen in ihrer Gemeinde meisterten. Inspiriert davon schrieb sich Afsana für das Studium Soziale Arbeit ein.

Sie merkte bald, dass sie dafür dringend bessere Englischkenntnisse brauchte, und wandte sich prompt an die Berufsberatung. Daraufhin bekam sie ein Vollstipendium für einen Englischkurs, der allerdings nicht ohne Hürden erreichbar war. Täglich legte sie in der klirrenden Winterskälte – teils zu Fuß, teils in Bussen – 50 Kilometer zurück, um zur Sprachschule zu kommen. Aber sie ließ sich nicht beirren und setzte den Kurs und ihr Studium fort.

Eine Gruppe junger Frauen aus Indien sitzt sich im Halbkreis auf dem Boden gegenüber und diskutiert angeregt
In der Jugendgruppe in Delhi trifft sich Afsana (li.) regelmäßig mit Gleichaltrigen, um sich auszutauschen Viral Bug
Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und drei Mädchen steht Arm in Arm zusammen. Alle blicken die älteste Tochter liebevoll an, die in der Mitte steht.
Afsana mit ihren Eltern und zwei ihrer jüngeren Schwestern Viral Bug

Im Rahmen ihres einmonatigen Praxiskurses machte sie ein Praktikum bei Plan International und kam so mit anderen Jugendlichen aus ihrer Gemeinde in Kontakt, denen sie ihre Erfahrungen vermittelte und sie dadurch motivierte. Das bestärkte nicht nur Afsana selbst, sondern stimmte auch ihre Eltern optimistisch für die Zukunft ihrer Tochter. Heute gibt sie ihr Wissen als Englischlehrerin an ihre jüngeren Schwestern weiter und träumt von einer Karriere im Ausland. „Das Studium war für mich ein Kampf, aber Soziale Arbeit hat mich immer interessiert. Ich möchte einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und auch meine Familie unterstützen können“, sagt sie. 

Ihr Ehrgeiz und Durchhaltevermögen haben Afsana, Anjali und Neha dahin geführt, wo sie heute stehen: An den Anfang eines vielversprechenden Lebensweges, den sie voller Zuversicht bestreiten. 

Die Geschichten von Neha, Anjali und Afsana wurden mit Material aus dem indischen Plan-Büro aufgeschrieben.

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