Memory für Malaen
Im Dezember 2009 war es für Grit Heinrich und Ralf Spachmann so weit: Während ihrer vierwöchigen Reise durch Südostasien besuchten die Pat:innen aus Mainz ihr Patenkind Malaen in Kambodscha und überzeugten sich vor Ort von der Arbeit von Plan International. Lesen Sie nachfolgend ihren Bericht.
Patenkindbesuch bei Malaen
Malaens Dorf liegt im Kampong Cham Distrikt, etwa zwei Busstunden von der Hauptstadt Phnom Penh entfernt. Einen Tag zuvor waren wir angereist und hatten uns spontan für eine der Unterkunft in der Nähe entschieden. Pünktlich um acht Uhr am nächsten Tag holte uns der Leiter des Plan-Teams vor Ort ab und fuhr mit uns ins Büro von Plan. Dort zeigten uns verschiedene Mitarbeiter per Fotos und Informationstafeln ihre Arbeit. Uns wurden die Projekte vor Ort, Probleme und Lösungsansätze aufgezeigt. Wir waren sehr beeindruckt wie gut strukturiert, akribisch und ehrgeizig an den Projekten gearbeitet wird und konnten direkt sehen, wie unsere zwei Patenschaften (eine weitere in Uganda) dazu beitragen, die Arbeit von Plan zu unterstützen.
Dorf ohne Müll
Zur Mittagszeit wurden wir wieder zum Hotel gebracht. Unterwegs erstanden wir noch eine Hängematte und ein Moskitonetz für die Familie von Malaen und organisierten unser Busticket für die morgendliche Weiterreise. Gegen 13 Uhr begann die ca. einstündige Fahrt in Malaen's Dorf. Dort angekommen, fiel uns sofort der fehlende Müll auf. Der Ort war sehr sauber und gepflegt. Unsere Nervosität stieg, als wir die ersten Kinder sahen. Ist eines davon vielleicht schon Malaen? Unser erster Stopp galt dem, mit Hilfe von Plan, neu gebauten Brunnen. Zwei kleine Jungs sprangen vergnügt herum und demonstrierten uns die kinderleichte Bedienung, während sie eine Dusche nach der anderen nahmen. Der Brunnen ist so konzipiert, das die Dorfbewohner im Bedarfsfall alles selbst reparieren können. Das Drehrad zum Beispiel ist aus einem Mopedreifen, diesen zu ersetzen, wäre für das Dorf erschwinglich. Das Konzept von Plan, Gemeinden zu helfen, um auf eigenen Beinen zu stehen, spiegelt sich in jeder Neuerung wieder.
Täglicher Besuch mit Plan-Moped
Nach der Frischwasserparty hielten wir in der Nähe der Schule. Auf einer großen Decke mitten auf der Wiese saßen viele Kinder unterschiedlichen Alters, die ganz in ihre Bücher vertieft waren. Wir erfuhren, dass es sich hierbei um die sogenannte „mobile Bibliothek“ handelt, ein weiteres Plan-Projekt. Hier haben die Kids in ihrer Freizeit Zugriff auf eine große Kiste, die Bücher, Puzzles und andere Spiele beinhaltet. Themen wie Gesundheit, Hygiene, Rechte der Kinder und geographische Kenntnisse sind hauptsächlicher Inhalt der Geschichten- und Märchenbücher und vermitteln das Wissen auf spielerische Art. Besonders gut fanden wir, dass eine Planmitarbeiterin täglich mit ihrem weiss-blauen Planmoped ins Dorf kommt. Diese Frau ist Ansprechpartnerin für alle im Ort und fungiert auch gern als Kinderbetreuerin. Zusammen mit ihr führten die Kids spontan verschiedene Tanz- und Singspiele auf. Es war unübersehbar, welchen riesigen Spaß die Kinder dabei hatten.
Besuch spricht sich schnell rum
Der nächste Stopp war dann endlich am Haus von Malaen und ihrer Familie. Wir waren schon so aufgeregt. Malaen und ihre Mutter warteten bereits an der Straße auf uns. Wir erkannten beide sofort. Malaen trug einen gelben Hausanzug, der unseren Pyjamas sehr ähnelt. Ihre Mutter begrüßte uns mit einem strahlenden Lächeln und führte uns direkt in den Schatten zu einer Bambusplattform unter einen Baum. Dort versammelten sich blitzschnell alle Familienmitglieder und viele andere Kinder aus dem Dorf, die wir bereits bei der mobilen Bibliothek oder am Brunnen gesehen hatten. Offensichtlich hatte sich unser Kommen schnell herumgesprochen. Im Zuge der Vorstellungsrunde, lernten wir auch die Großeltern und Brüder von Malaen kennen. Oma und Opa hatten eine großartige Ausstrahlung, sahen unverschämt jung aus und waren ebenfalls sehr neugierig auf uns.
Briefe gehütet wie einen Schatz
Wir erfuhren auch, dass der Vater von Malaen leider die Familie verlassen hatte und die Mutter nun allein für alle sorgen muss. Aber zum Glück helfen Oma und Opa aus, wo immer sie können. Malaen, noch immer sehr zurückhaltend und still, überraschte uns mit all unseren Briefen und Fotos, die sie behütete wie ein Schatz. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir ihr mit jeder Zeile eine Freude bereitet hatten. Und mit neuen Fotos eröffneten wir unsere Bescherungsrunde. Zu Hause hatten wir ein kleines Fotoheft erstellt, welches Bilder aus Mainz, der Umgebung, den Jahreszeiten, von Weihnachten, unseren Hobbys und Freunden enthält. Für ein lautes Gekicher sorgten die Karnevalsfotos. Klar, wann sieht man schon mal seinen Paten als vollbusige Frau verkleidet. Mittlerweile waren wir umringt von etwa 20 Kindern, die alle versuchten einen Blick in das Album zu werfen. Bei einem Landschaftsfoto mit einem Weizenfeld stellte uns Malaen die Frage, ob das Reis sei. Tatsächlich sieht der Reis in Kambodscha in der Trockenzeit unseren Weizenfeldern sehr ähnlich. Wir erklärten ihr, das Reis bei uns gar nicht wächst. Ein großes Staunen breitete sich in den Kindergesichtern aus.
Sauer macht lustig
Malaen verlor nur langsam ihre Scheu, um das Eis endgültig zu brechen und die Stimmung unterm Baum etwas aufzulockern, zogen wir als nächstes unser Wunderpulver heraus: Ahoi Brause. Ohne Worte öffneten wir eine Tüte, formten unsere Hand tellerförmig und animierten alle zum Mitmachen. So bekam jeder ein bisschen vom Pulver in die Hand. Fragende und zugleich erwartungsvolle Blicke begleiteten die Szene. Alle zogen gleich nach, als wir die Brause mit der Zunge aus der Hand leckten. Gesichtsverzerrungen mit anschließendem Gelächter folgten, als die süß saure Brause die Geschmacksnerven eines jeden einzelnen traf. Manch einer fand es lecker, manch anderer eher nicht. Spaß hatten aber alle und die Befangenheit war endgültig verflogen. Nun konnte es vergnügt weitergehen. Malaen bekam noch ein von uns selbstgemachtes Memory, welches auf jedem Kärtchen Fotos von uns zeigt. Die Kinder stürzten sich regelrecht auf das Spiel und testen es gleich aus.
Kokosnuss mit Strohhalm
Den aus dem benachbarten Vietnam mitgebrachten Federfußball und meine sportliche Ausdauer stellten Malaen und ihre Brüder nach der Bescherung gleich auf die Probe. Wir spielten uns gegenseitig zu, rannten und hüpften in der Nachmittagssonne herum. Später kletterte der ältere Sohn geschwind auf eine Palme und holte Kokosnüsse vom Baum. Diese wurde uns zusammen mit einem Trinkröhrchen serviert, für mich die perfekte Erfrischung nach der sportlichen Einlage. Wir genossen den süßen Geschmack und waren froh, dass man nicht extra wegen uns, ein für die Familie unerschwingliches Essen, aufgetischt hatte. Neugierig baten wir darum, das Haus betreten zu dürfen. Ein einfaches Bretterhaus aus krummen Holzlatten, Pfählen, Bambusmatten und einem Wellblechdach. Wir hatten solche Hütten auf früheren Reisen schon gesehen. Jetzt aber kannten wir die Menschen persönlich, die darin leben.
Spartanische Ausstattung
Man schaut daher einfach viel intensiver hin und versucht sich deren Alltag vorzustellen. Es gab nur zwei Räume, der Fußboden bestand aus der gleichen Erde wie vor dem Haus. Im größeren Raum befanden sich zwei der typischen Bambusplattformen. Sie dienten als Tisch, Sitzecke, Spielplatz, Lager und Bett in einem. Es gab keine weiche Auflage, Matratze oder Decke. An der Wand hingen die Hochzeitsbilder. Das gesamte Hab und Gut der fünfköpfigen Familie befand sich in ein paar Plastiktüten, mehr gab es nicht. Dahinter lag der kleinere Raum mit einer Kochstelle am Boden und einem großen leeren Topf. Die Küche sah wirklich mehr als trostlos aus. Alte Zeitungen dienten als Wandverkleidung, um die Löcher in den Holzlatten zu stopfen. Strom und Wasser gab es nicht. Wenn man so schonungslos mit der Einfachheit konfrontiert wird, in der andere Menschen leben,wird man sich einmal mehr des heimischen Überflusses bewusst. Malaen teilt sich einen Teller mit drei Geschwistern, wir haben 12 Teller zu zweit... Wie unterschiedlich unsere Welten doch sind.
Abschied mit allen Sinnen
Nach einer abschließenden Fotosession hieß es Abschied nehmen. Für Kambodschaner ist jeglicher Körperkontakt wie Händeschütteln ein Unding. Daher verabschiedeten wir uns auf die traditionelle Art, in dem wir unsere Hände in Gebetsstellung brachten und uns leicht verbeugten. Doch der Oma war das zu wenig und sie leitete eine zweite Verabschiedungsrunde ein. Sie zog uns an sich und drückte uns herzlich. Zugleich nutze sie die Gelegenheit, um unsere weiße Haut zu berühren und uns zu beschnuppern. Alle anderen folgten Oma's Beispiel, was uns besonders freute. Wehmütig fuhren wir vom Hof und unsere Gastgeber winkten uns nach bis das Auto nicht mehr zu sehen war. Der Aufenthalt bei Malaen hat uns gezeigt, wie dankbar diese Menschen für Hilfe sind und wie wertvoll nachhaltige Unterstützung ist. Trotz der materiellen Armut scheinen die Menschen zufriedener und erfüllter zu sein, als wir es zuweilen sind. Der Besuch bei unserem Patenkind war sicher nicht unser letzter…