
Zwischen Zelt und Zukunft
Das Geflüchtetenlager Dzaleka liegt rund 40 Kilometer nördlich der malawischen Hauptstadt Lilongwe. Ursprünglich für 10.000 Menschen konzipiert, beherbergt es mittlerweile über 50.000 Geflüchtete, vor allem aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), Burundi und Ruanda.
Viele von ihnen sind vor bewaffneten Konflikten, politischen Unruhen und Gewalt geflohen. Allein aus der DR Kongo mussten in den letzten Jahren Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen.
Dzaleka ist für die meisten, die dort ankommen, ein Ort der relativen Sicherheit. Allerdings birgt das Lager auch neue Herausforderungen: Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, der Zugang zu Bildung und Arbeit begrenzt. Dennoch wächst hier eine Gemeinschaft, die trotz widriger Bedingungen Wege findet, ihre Stimme zu erheben – so wie Florence.



Ein Neubeginn mit sechs Jahren
Florence war erst sechs Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter aus der DR Kongo floh. Ihr Vater war verschwunden, ihre Kindheit geprägt von Krieg. „Zum ersten Mal fühlten wir uns sicher. Niemand kam nachts, um uns zu töten“, erinnert sich das Mädchen an die Ankunft in Dzaleka.
Sie begann früh, ihre Erfahrungen durch Songwriting zu verarbeiten – ein kreativer Ausweg, der ihr half, das Erlebte in Worte zu fassen. Mit 15 wurde sie Mitglied des Kinderparlaments von Dzaleka, das 2015 von Plan International und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ins Leben gerufen wurde. Hier können Kinder und Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren über Themen wie Bildung, Schutz und Gleichstellung sprechen und recherchieren sowie mit Entscheidungsträger:innen in den Austausch gehen.
„Zum ersten Mal fühlten wir uns sicher.“
Plan International unterstützt die Kinderparlamente durch regelmäßige Workshops, in denen Jugendliche wie Florence lernen, sich auszudrücken, zuzuhören und ihre Ideen zu formulieren. Auch Moderationstrainings, Recherchehilfen und Materialpakete gehören dazu – damit aus Meinung Schritt für Schritt Beteiligung wird.
Mädchen stärken – zuhause und in der Gemeinschaft
Aufgewachsen in einem männlich dominierten Haushalt, war Florence früh mit der Ungleichbehandlung der Geschlechter konfrontiert. Als einziges Mädchen unter Brüdern übernahm sie oft zusätzliche Aufgaben, bis sie begann, sich gegen diese Rollenbilder zu stellen. Mit Unterstützung ihrer Mutter veränderte sie schließlich die familiäre Dynamik. „Jetzt helfen meine Brüder mir bei allem“, sagt sie stolz. „Ein Mädchen sollte die Schönheit der Welt genießen können“, fügt sie poetisch hinzu.
Plan begleitet Mädchen im Lager mit gezielten Empowerment-Trainings und Gesprächsräumen, in denen Erfahrungen geteilt und neue Perspektiven entwickelt werden. Auch Florence nahm an einem dieser Programme teil. Es war das erste Mal, dass sie offen über geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung sprach und dabei spürte, wie aus Unsicherheit Klarheit wachsen kann.


Selbstwirksamkeit weitergeben
Eine besondere Erfahrung war für Florence die Unterstützung eines befreundeten Kindes mit Behinderung, das sich im Kinderparlament engagieren wollte. Gemeinsam bereiteten sie sich auf ein landesweites Kindertreffen in Lilongwe vor. „Ich habe versucht, ihn zu bestärken, damit er selbst sprechen kann“, sagt sie. „Mit der Zeit hat er Vertrauen in sich gefunden.“
Solche Momente zeigen: Bildung und Teilhabe sind der Schlüssel zu Selbstbestimmung. Plan stellt dafür auch praktische Unterstützung bereit, etwa Transportmöglichkeiten zu Treffen, Betreuungspersonen oder Übersetzungshilfen, wenn Kinder mit besonderen Bedürfnissen sich einbringen möchten.
Trotz ihres Engagements begegnet Florence in der Schule und in der Gesellschaft immer wieder Vorurteilen. Kritisiert wird sie zum Beispiel dafür, dass sie als Mädchen öffentlich spricht. Doch sie bleibt standhaft. „Viele sprechen über Geflüchtete, als wären wir Menschen ohne Wert“, sagt sie. „Doch wir haben dieselben Fähigkeiten und Träume wie alle anderen.“
„Viele sprechen über Geflüchtete, als wären wir Menschen ohne Wert.“


Bildung als Schlüssel zur Zukunft
Weil sie weiß, wie wichtig ein inklusiver Zugang zu Bildung ist, fordert Florence gezielte Stipendienprogramme und Weiterbildungsangebote in Dzaleka – vor allem für Mädchen. Diese Forderung bringt sie regelmäßig in ihre Treffen mit Entscheidungsträger:innen ein. Wie sie das tun muss, hat sie in den Dialogforen von Plan International gelernt. Hier werden Jugendliche gezielt auf solche Gespräche vorbereitet, sie lernen, wie man Forderungen begründet, Argumente aufbaut und sich Gehör verschafft.
„Ein gebildeter Geflüchteter kann auf eigenen Beinen stehen“, betont Florence. „Und so anderen helfen, ihren eigenen Weg zu finden.“ Die Kinderrechtsorganisation unterstützt sie dabei: etwa durch die Vermittlung von Stipendien, Nachhilfeangebote im Lager und mobile Lernzentren für Kinder, die keinen Schulplatz erhalten.
Durch ihre Arbeit trug Florence zur Gründung des Dowa-Kinderparlaments (2018) und zur Wiederbelebung des Nationalen Kinderparlaments in Malawi (2021) bei. Sie ist Teil einer wachsenden Bewegung, die Kindern im Lager und darüber hinaus eine Stimme gibt. Plan International begleitet diesen Weg nicht nur organisatorisch, sondern auch strukturell, indem die Organisation sichere Räume bereitstellt, lokale Betreuer:innen ausbildet, Schulen und Gemeinden vernetzt sowie mit staatlichen Stellen zusammenarbeitet, um die Anliegen der Kinder an Entscheider:innen weiterzutragen. Der Grundsatz dabei: Die Themen kommen von den Mädchen und Jungen.
Florences Geschichte zeigt: Selbst unter schwierigsten Bedingungen können junge Menschen Wandel vorantreiben und für ihre Rechte einstehen. Ihr Einsatz für Gleichberechtigung und Bildung macht Mut und erinnert daran, wie viel möglich ist, wenn Stimmen gehört und Wege geebnet werden.
Die Geschichte wurde mit Material aus dem malawischen Plan-Büro erstellt.