
Wo Kinder trotz Krieg neue Hoffnung finden
Für die neunjährige Helga ist der Krieg allgegenwärtig. Sie lebt mit ihrer Familie in Tscherkassy, einer Oblast (Verwaltungseinheit) im Herzen der Ukraine. Flucht kam für ihre Eltern nicht in Frage – sie wollten sich den Unwägbarkeiten des Krieges stellen. Was für viele Menschen ein Leben lang unvorstellbar bleibt, ist für die Familie dadurch zu einem festen Teil ihres Alltags geworden. Immer neue Raketenangriffe, Vertreibung, Angst – mit alldem müssen sie tagtäglich fertig werden.
Doch seit Januar 2024 hat Helga ein wenig Unterstützung: Ein Kinderschutzzentrum von Plan International ist für das Mädchen zu einem Zufluchtsort geworden, an dem sie träumen, sich kreativ ausleben und einfach Kind sein kann. „Als das Zentrum eröffnet wurde, war das wie ein Wunder“, erzählt sie begeistert. „Ich gehe jeden Tag dorthin. Meine Freunde sind auch dort und es gibt so viele interessante Dinge, die wir zusammen machen: Brettspiele, Kunstunterricht, Basteln.“ Das Leuchten in ihren Augen zeugt davon, wie gut ihr dieser Ort tut.



Ein Ort, den nicht der Krieg, sondern die Hoffnung bestimmt
Das von Plan International unterstützte und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierte Zentrum bietet Kindern wie Helga einen sicheren Ort, an dem sie Spaß haben und Stabilität finden können. Neben Tscherkassy gibt es auch noch weitere Zentren in den Oblasten Chmelnyzky, Kirowohrad und Winnyzja. Sie richten sich an binnenvertriebene sowie einheimische Kinder und Jugendliche und gehen auf ihre emotionalen Bedürfnisse und ihren Anspruch auf Weiterentwicklung ein.
„Wenn ich male, fühle ich mich wie in einer anderen Welt, völlig versunken und frei von allem, was mich umgibt.“
Für Helga ist es vor allem ein Ort, an dem sie sich in ihrer großen Leidenschaft – der kreativen Arbeit – verlieren kann. Stundenlang ist sie dort in die Aquarellmalerei, ihre Lieblingsbeschäftigung, vertieft. Das Malen ist für sie eine Art Eskapismus, der ihr dabei hilft, die schlimmen Dinge um sie herum für einen Moment auszublenden. „Wenn ich male, fühle ich mich wie in einer anderen Welt, völlig versunken und frei von allem, was mich umgibt“, wie sie selbst beschreibt.
Die junge Künstlerin sucht sich immer neue Arten, sich kreativ auszuleben. Mal mit Pinseln, mal mit Filzstoffen, mal mit Nadel und Faden. Auch einen Karriereplan hat sie sich auf Basis ihrer Leidenschaft schon ausgemalt: „Ich würde gerne Künstlerin oder Modedesignerin werden, weil ich auch gerne nähe und Dinge mit meinen Händen herstelle.“

Ein Stück Kindheit zurückbekommen
Der mittlerweile knapp dreieinhalb Jahre andauernde Krieg in der Ukraine hat die Bildung und psychische Gesundheit von schätzungsweise 1,6 Millionen Kindern stark beeinträchtig; viele ihrer sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen sind unterbrochen – sei es durch Raketenangriffe, Vertreibung oder Schulschließungen. Der Unterricht wird vielerorts weiterhin online betrieben, Kindergärten bleiben geschlossen. Das führt bei den Mädchen und Jungen zu immensen psychischen Belastungen bis hin zu Traumatisierung und sozialer Isolation.
Auf diese steigenden psychosozialen Bedarfe reagieren die Kinderschutzräume von Plan International mit strukturierten Lernangeboten, psychologischer Betreuung und kreativen Workshops.


Diese Aktivitäten stärken die Widerstandsfähigkeit von Kindern wie Helga und geben ihnen ein kleines Stück Sorglosigkeit inmitten des Kriegsgeschehens zurück.
Helga lernt dort auch etwas über andere Länder und Kulturen. Eine besondere Faszination hat sie für Skandinavien entwickelt, insbesondere Norwegen. „Dort herrscht ein kühles Klima und ich mag die Hitze nicht. Außerdem ist es sehr schön“, sagt sie.
Mehr als ein Urlaubsziel kann sie sich allerdings nicht darunter vorstellen, denn ihr Herz ist fest in der Ukraine verwurzelt. „Ich möchte die Ukraine nicht verlassen, niemals“, ergänzt sie entschlossen.
„Ich kann sehen, wie positiv sich die Atmosphäre auf meine Tochter ausgewirkt hat.“

Ein generationsübergreifendes Unterstützungssystem
Der positive Effekt der Zentren geht über die Kinder hinaus. Auch die Eltern und Familien werden mit Programmen unterstützt, die ihnen helfen, mit Stress umzugehen, die Kommunikation mit ihren Töchtern und Söhnen zu verbessern und die Bindung zu ihnen zu stärken. So wird ein ganzheitliches und generationsübergreifendes Unterstützungssystem geschaffen.
Auch Helgas Mutter Natalia profitiert davon. „Zentren wie dieses sind wie ein Rettungsanker für uns“, sagt sie. „Ich kann sehen, wie positiv sich die Atmosphäre auf Helga ausgewirkt hat. Sie ist ruhiger geworden, sie entwickelt sich, und sie hat einen Raum, in dem sie sich wohlfühlt und unterstützt wird.“
Die Kinderschutzräume in der Ukraine sollen dazu beitragen, Traumata zu lindern und ein Gefühl der Normalität wiederherzustellen. Mobile Teams weiten diese Unterstützung auf abgelegene Dörfer aus und sorgen dafür, dass auch die am stärksten isolierten Kinder Zugang zu psychologischer Betreuung bekommen.
Helga haben diese Räume einen sicheren Ort beschert, der sie in ihrer Kreativität fördert und es ihr ermöglicht, sich – zumindest für ein paar Stunden am Tag – ohne die Last des Krieges zu entfalten. Sie hat dort auch wieder Kontakt zu anderen Kindern, mit denen sie sich austauschen und gemeinsam spielen kann. Denn auch im Krieg gilt: Jedes Kind hat das Recht auf Kindheit.
Die Geschichte von Helga und den Kinderschutzräumen in der Ukraine wurde mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro erstellt.