Weibliche Genitalverstümmelung: „Eine schlimme Erinnerung, die nicht verblasst“

Foto: Izla Bethdavid

In Somalia sind 98 Prozent der Mädchen und Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren an ihren Genitalien beschnitten – eine Prozedur mit verheerenden Folgen. Sie kann sogar zum Tod führen, trotzdem besteht die Praxis fort.

Inhaltswarnung: Dieser Artikel beschreibt den Vorgang und die Folgen von weiblicher Genitalbeschneidung. Sollten Sie betroffen oder gefährdet sein, finden Sie in unserer Broschüre in vier Sprachen Informationen und Anlaufstellen in Deutschland. Außerdem können Sie sich bei dem Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen rund um die Uhr in einer von 18 Sprachen beraten lassen: 08000 116 016

Wie so viele Mädchen in ihrer Gemeinschaft wurde auch die heute 17-jährige Hani* als sie klein war einer Genitalverstümmelung unterzogen, der sogenannten „Female Genital Mutilation/Cutting" (FGM/C). Damals war sie acht Jahre alt und sie erinnert sich gut an den Tag, der ihr Leben veränderte: „Es gab noch andere ältere Mädchen, die sich am selben Tag wie ich einer Genitalverstümmelung unterziehen mussten. Als ich sie schreien und weinen hörte, bekam ich Angst und rannte weg. Dreimal bin ich geflohen und wurde wieder gefasst und am Ende wurde ich beschnitten.“

Hani* (17) erinnert sich gut an den Tag, an dem sie beschnitten wurde Izla Bethdavid

Weibliche Genitalverstümmelung ist eine Menschenrechtsverletzung

FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting) ist eine Verletzung der Menschenrechte von Mädchen und Frauen. Die Gründe für diese Praxis sind unterschiedliche. In einigen Fällen wird sie als Übergangsritus zur Frau angesehen, während andere darin eine Möglichkeit sehen, die Sexualität der Frau zu unterdrücken. Viele Gemeinschaften praktizieren die Genitalverstümmelung in dem Glauben, dass damit die zukünftige Ehe oder die Familienehre eines Mädchens gesichert wird. Einige bringen sie mit religiösen Überzeugungen in Verbindung, obwohl keine religiöse Schrift sie vorschreibt.

„Ich hatte so große Schmerzen, dass ich mich nicht mehr aufsetzen konnte und zehn Tage lang liegen bleiben musste“, erinnert sich Hani. „Ich möchte die Erinnerung loslassen, aber ich kann sie nicht vergessen. Es ist eine schlimme Erinnerung, die nicht verblasst. Genitalverstümmelung ist etwas Schreckliches und muss gestoppt werden.“

Als die Zeit für die Beschneidung ihrer jüngeren Schwester gekommen war, flehte Hani ihre Mutter an, es nicht zu tun. „Ich habe ihr gesagt, dass ich den Schmerz nicht vergessen kann“, erklärt sie. „Zuerst wollte sie nicht zuhören, aber dann akzeptierte sie es und meine Schwester musste sich nicht der Genitalverstümmelung unterziehen.“ Die 17-Jährige ergänzt, dass sie es auch niemals zulassen werde, dass ihre eigenen Töchter beschnitten werden.

Die Schmerzen der Beschneidung kann Hani nicht vergessen Izla Bethdavid

FGM/C öffnet Türen für frühe Ehen

Angesichts der sich verschärfenden Dürre in Somalia ist der Schutz von Frauen und Mädchen heute mehr denn je gefährdet. Immer mehr Mädchen brechen die Schule ab und sind damit einem größeren Risiko von Genitalverstümmelung (FGM) bzw. „Female Genital Cutting" (FGC) ausgesetzt, die oft die Tür zu frühen Ehen öffnen.

Die Dürre und der anhaltende Konflikt im Land hat Hani und ihre Familie gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Sie leben jetzt in einem Camp für Binnenvertriebene. Seitdem geht Hani nicht mehr zur Schule. „In der fünften Klasse habe ich abgebrochen“, erklärt sie. „Die Schule ist weit weg und wir können uns die Fahrt dorthin nicht leisten. Wenn es hier im Camp eine Schule gäbe, würde ich hingehen. Wenn ich sehe, dass Mädchen in meinem Alter zur Schule gehen, bin ich sehr traurig.“ Die 17-Jährige hat Angst um ihre Zukunft. „Wenn man keine Bildung hat, kann man nichts für sich selbst tun“, sagt sie. „Bildung ist ein wichtiger Teil des Lebens. Ich kann mir eine Zukunft ohne Bildung nicht vorstellen. Ohne Bildung bist du von anderen abhängig.“

„Der Schmerz, den ich erlebte, überstieg alles, was ich mir je vorstellen konnte.“

Marwa (14)*, wurde mit 11 Jahren beschnitten
Marwa (14)* wünscht sich, dass FGM/C nicht mehr praktiziert wird Izla Bethdavid

Engagement gegen weibliche Genitalverstümmelung

Auch die 14-jährige Marwa* lebt im Camp für Binnenvertriebene. Sie ist nie zur Schule gegangen und kann weder lesen noch schreiben. Marwa wurde vor drei Jahren beschnitten. „Es war am Morgen“, erinnert sie sich. „Mir wurde vorher davon erzählt, ich wusste also, was es war und dass es schmerzhaft sein würde, aber es geschah ohne meinen Willen. Und der Schmerz, den ich erlebte, überstieg alles, was ich mir je vorstellen konnte.“

Ihre Mutter erzählte ihr, dass sich alle Mädchen einer Genitalverstümmelung unterziehen müssen, dass es ein notwendiger Eingriff ist, um „unerwünschte Sünden“ zu entfernen. „Ich hatte vier Tage lang extreme Schmerzen und war bettlägerig. Jeder Teil meines Körpers war schmerzhaft. Ich bin geheilt und es geht mir gut, aber ich werde den Tag nie vergessen.“

Plan International arbeitet mit dem Netzwerk gegen FGM in Somaliland (NAFIS) zusammen, um das Verständnis der Gemeinschaft für die weibliche Genitalverstümmelung und ihre schädlichen Folgen zu verbessern. Die Schulungen konzentrieren sich auf die Risiken, denen Kinder, insbesondere Mädchen, ausgesetzt sind – einschließlich traditioneller Praktiken wie FGM, Frühverheiratung und Teenagerschwangerschaften. Hani sagt, dass sie erste Veränderungen in ihrer Gemeinde bemerkt. „Je bewusster den Menschen wird, was FGM tatsächlich bedeutet, desto eher werden sie sich ändern und die Praxis wird beendet werden. Sie muss beendet werden. Ich rufe die Mütter auf, es ihren Töchtern nicht anzutun.“

*Namen wurden zum Schutz der Identität geändert

Die Geschichte der beiden Mädchen wurde mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro erstellt.

Ihre Spende gegen FGM/C

Auch in Oberägypten ist die weiblichen Genitalverstümmelung tief in den Gemeinden verankert. Wir von Plan International und unsere Partner engagieren uns auch in dem nordostafrikanischen Land dafür, Mädchen vor dieser schädlichen Praktik zu beschützen. Mit einer Spende für das Projekt „Mädchen vor Beschneidung schützen“ helfen sie uns dabei.

In anderen afrikanischen Ländern konnten wir bereits ähnliche Projekte gegen FGM/C erfolgreich umsetzen – erfahren Sie mehr über die Arbeit z.B. in Mali und Burkina Faso.

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