
Nähen für gute Noten
Der Strom fällt aus. Die Nähmaschinen verstummen, Stoffschneider bleiben liegen. Niemand wirkt beunruhigt. „Das passiert oft“, sagt Daphine und wartet. Für sie ist der kurze Stillstand Alltag, sie weiß, dass der Strom gleich zurückkommt. Minuten später brummen die Maschinen wieder – und das Zuschneiden, Nähen und Verpacken wiederverwendbarer Damenbinden geht weiter.
Daphine ist 24 Jahre alt und Produktionsleiterin einer kleinen Fabrik im Norden Ugandas. 15 junge Frauen arbeiten hier gemeinsam, um Mädchen den Schulbesuch zu erleichtern. „Wir stellen Binden her und verteilen sie an den Schulen“, erklärt sie. „Außerdem bringe ich anderen bei, wie sie sich selbst welche machen können.“ Für Daphine ist das mehr als ein Job – es ist ihre Mission.


Ein Tabu mit Folgen
In Uganda verpassen viele Mädchen regelmäßig den Unterricht, sobald die Menstruation einsetzt, oft aufgrund fehlender Binden oder unzureichender sanitärer Einrichtungen. Studien belegen, dass während der Menstruation ein signifikanter Anteil der Schülerinnen dem Unterricht fernbleibt. Ohne Zugang zu Hygieneprodukten und sicheren Rückzugsmöglichkeiten fällt es ihnen schwer, am Unterricht teilzunehmen. Wiederholtes Fehlen kann dazu führen, dass sie den Anschluss verlieren und die Schule schließlich verlassen.
Das Projekt, das Daphine leitet, reagiert auf diese Bedürfnisse. In der Werkstatt von Growth Care Uganda, einer Partnerorganisation von Plan International, stellen die Frauen haltbare und waschbare Binden her. Die Wirkung geht jedoch weit über die Produkte hinaus: Mädchen erhalten fundierte Menstruationsaufklärung, Jungen werden einbezogen, und Schulen verfügen inzwischen über verbesserte Toilettenanlagen mit Rückzugsmöglichkeiten. Auf diese Weise unterstützt das Projekt die Mädchen darin, selbstbestimmt und mit größerem Selbstvertrauen am Unterricht teilzunehmen und ihre Bildung konsequent fortzusetzen.
„Wenn Mädchen während der Periode zu Hause bleiben müssen, verlieren sie Tage, Wochen, manchmal Monate ihrer Bildung.“


Ein Job, der Türen öffnet
Die Werkstatt ist mehr als nur ein Arbeitsplatz – für Daphine selbst wurde sie zu einem Wendepunkt. Sie hatte ihr Studium bereits begonnen, musste es jedoch abbrechen, weil ihre Familie die Studiengebühren nicht aufbringen konnte. Durch das Einkommen aus der Fabrik konnte sie zurück an die Universität kehren und schließlich ihren Abschluss in Buchhaltung und Finanzen machen.
Auch ihre Kolleginnen profitieren auf mehreren Ebenen. Sie verdienen eigenes Geld und bewirtschaften gemeinsam ein Stück Land, auf dem Bohnen, Süßkartoffeln, Erdnüsse und Tomaten wachsen. Die Erträge helfen nicht nur, die Ernährung ihrer Familien zu sichern, sondern eröffnen den Frauen auch ein Stück wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Gelerntes weitergeben
Die Produktion allein reicht nicht aus. Deshalb ist Aufklärung ein fester Bestandteil des Konzepts. In Workshops sprechen die jungen Frauen offen über Menstruationshygiene, räumen mit Mythen auf und ermutigen Schülerinnen, Fragen zu stellen. Auch Jungen sind eingeladen, um zu verstehen, dass Menstruation nichts mit Scham oder Ausgrenzung zu tun hat.
„Meine Aufgabe ist es, Mädchen und Jungen zu schulen – nicht nur im Nähen, sondern auch im Wissen über ihren Körper“, sagt Daphine. Viele der jungen Teilnehmerinnen geben das Gelernte an ihre Geschwister oder Eltern weiter. So verbreitet sich Wissen Schritt für Schritt in den Gemeinden und stärkt das Verständnis für ein Thema, das lange tabuisiert wurde.

Blick nach vorn
Für Daphine ist die Vision eindeutig: kein Mädchen in Uganda soll mehr wegen der Periode den Unterricht verpassen. Jede Naht, jede Schulung, jedes Gespräch ist ein Schritt in diese Richtung – und jeder Schritt entfaltet Wirkung weit über die Werkstatt hinaus. Das Wissen, das die jungen Frauen weitergeben, erreicht Familien, Schulen und ganze Gemeinden.
„Ich möchte, dass Mädchen ihre Ausbildung ohne Unterbrechung fortsetzen können“, sagt Daphine. Gleichzeitig hofft sie, dass das Verständnis für Menstruation sich verändert: dass Scham und Tabus verschwinden und Mädchen selbstbewusst am Schulleben teilnehmen. Die Werkstatt ist damit nicht nur ein Ort der Arbeit – sie ist ein Ort, an dem Zukunft gemacht wird. Eine Naht, ein Gespräch und eine Idee nach der anderen.
Die Geschichte von Daphine wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Uganda aufgeschrieben.