Mit einem Handwerksberuf zum Vorbild werden
Wer beruflich erfolgreich sein will, braucht eine anerkannte Ausbildung, Expertise im jeweiligen Fachbereich und am besten ein starkes Netzwerk. Egal wo auf der Welt man Arbeit finden möchte. Doch nur selten sind die Chancen auf einen guten Job gerecht verteilt. So auch in Ruanda, wo die hohe Jugendarbeitslosigkeit eine der größten Herausforderungen für junge Menschen darstellt.
Vor allem junge Frauen sind strukturell benachteiligt. Traditionelle Geschlechternormen drängen ihnen oft häusliche Pflichten auf, weshalb sie früh die Schule abbrechen und später nur in geringem Ausmaß am Berufsleben teilnehmen können. Arbeitslosigkeit und Altersarmut sind oft die Folge. Zudem beherrschen diskriminierende Einstellungen noch immer den Arbeitsalltag. Eine Frau, die als Elektrikerin arbeitet oder ein Mann, der Frauen die Haare macht, sind absolute Seltenheiten – und werden in den meisten Fällen mit Skepsis beäugt.
Um mehr jungen Menschen ein eigenes Einkommen zu sichern, hat Plan International zusammen mit einer lokalen Partnerorganisation im Bezirk Bugesera ein Ausbildungszentrum eröffnet. Dort bieten Fachleute Schulungen in den Bereichen Schweißen, Friseurhandwerk, Elektrik und Schneiderei an – speziell für junge Menschen, die sonst nicht die Möglichkeit einer Ausbildung hätten. Ziel ist es, sie zur Selbstständigkeit zu motivieren und mit den nötigen Fähigkeiten, Informationen und Netzwerken auszustatten, die sie für die Gründung eigener Unternehmen brauchen. Wie diese Initiative gleichzeitig Geschlechterstereotypen aufbricht, zeigen die Geschichten von Yasin und Valens:
Yasin: Eine junge Schweißerin bricht mit gesellschaftlichen Normen
In einem Haushalt mit sechs Geschwistern aufzuwachsen, hieß für Yasin, ihre ganze Kindheit über mit finanziellen Schwierigkeiten zurechtzukommen. Eigentlich wollte sie nach der Schule eine Ausbildung machen. Doch ihren Bildungsweg musste sie frühzeitig abbrechen, um ihrer Mutter im Haushalt zu helfen.
Als sie dann die Möglichkeit bekam, im Ausbildungszentrum von Plan International einen Beruf zu erlernen, keimte in ihr doch wieder Hoffnung auf. Also entschied sich Yasin für das Schweißen – ein Handwerk, das in ihrer Gemeinde traditionell nur Männer ausüben. „Ich hatte noch nie eine Frau in meiner Heimat schweißen sehen“, erinnert sich die heute 22-Jährige. „Aber das war mir egal. Ich begeisterte mich dafür, weil ich damit die Chance auf ein regelmäßiges Einkommen bekam.“
„Ich hatte noch nie eine Frau in meiner Heimat schweißen sehen.“
Heute geht es Yasin gut. Sie arbeitet in einer lokalen Schweißerei, wo sie ihre praktischen Erfahrungen und ihre Fachkompetenz stetig ausbaut. „Ich bin jetzt in der Lage, Produkte wie Türen und Tische aus Metall herzustellen“, sagt sie mit hörbarem Selbstbewusstsein in der Stimme. „Das fertige Produkt zu sehen und zu wissen, dass ich es selbst hergestellt habe, inspiriert mich sehr.“
Valens: Der einzige Frauenfriseur in seiner Gemeinde
Auch für Valens war das Ausbildungszentrum eine zweite Chance. Der jüngste von vier Geschwistern hatte schon von klein auf Schwierigkeiten in der Schule. Da es für ihn auch keine Möglichkeit zur Nachhilfe gab, brach er schließlich nach seinem dritten Jahr die Schule ab. Doch aufgeben kam für den ehrgeizigen jungen Mann nie in Frage.
Er entschied sich dafür, seinen Kindheitstraum zu verfolgen: Friseur werden. Der heute 20-Jährige zeigte schon immer großes Interesse am Haarstyling, wie sich seine Mutter Angelique erinnert. Als es dann mit der Schule nicht klappte, ermutigte sie ihn, seiner Leidenschaft nachzugehen. Also machte Valens die Ausbildung und wurde Herrenfriseur.
„Ich habe mich schon immer gefragt, warum ich als Mann nicht auch Frauen die Haare stylen sollte.“
„Aber ich dachte mir schon immer: Warum lerne ich nicht auch, wie man Frauenfrisuren stylt?“, sagt er. „Zuerst verspotteten mich meine Freunde und sagten, das sei doch Frauenarbeit. Aber ich wollte unbedingt etwas Neues lernen.“ Also entschloss er sich, im Ausbildungszentrum von Plan eine sechsmonatige Fortbildung zu machen.
Heute ist Valens ein selbstbewusster und erfahrener Stylist – sowohl für Männer als auch Frauen. „Ich kann jetzt eine Reihe von Dienstleistungen anbieten, vom Haareschneiden über das Nägellackieren bis hin zum Styling. Das liebe ich“, freut er sich.
Ein Ausbildungszentrum, das mehr als nur Einkommensmöglichkeiten schafft
Yasin und Valens sind zwei von insgesamt 35 jungen Menschen, die von Plans Ausbildungszentrum profitieren. „Unsere Programme sind für junge Menschen von entscheidender Bedeutung“, betont None Epimaque, die Managerin des Projekts. „Wir vermitteln ihnen die notwendigen Fähigkeiten, Werkzeuge und Netzwerke, damit sie ihren Weg in die wirtschaftliche Unabhängigkeit finden und sich eine sichere Zukunft aufbauen können.“
Über diese Zukunft denken Yasin und Valens bereits gründlich nach. „Mein Ziel ist es, andere junge Menschen in meiner Gemeinde auszubilden, die keine Gelegenheit hatten, praktische Berufserfahrungen zu erwerben“, erklärt Valens stolz. Yasin träumt davon, ihre eigene Schweißerei zu gründen und mit ihren Kreationen nicht nur Einkommen zu generieren, sondern auch andere Mädchen und junge Frauen in ihrer Gemeinde zu inspirieren. Sie hat außerdem eine Zusatzausbildung in Elektrotechnik begonnen, um sich fachlich breiter aufstellen zu können. Den großen Traum von der finanziellen Unabhängigkeit können sie und Valens dank des Ausbildungszentrums leben – und wachsen dabei immer weiter über sich selbst hinaus.
Die Geschichten von Yasin und Valens wurden mit Material aus dem Plan-Büro in Ruanda erstellt.