
Die Fäden der Zukunft in der Hand behalten
„Mein Name ist Nobiyèle. Ich bin 27 Jahre alt, seit drei Jahren verheiratet und habe zwei kleine Töchter“, stellt sich die junge Frau aus der Region Savanes vor. Wie viele andere junge Menschen im Norden Togos, steht auch sie vor großen Herausforderungen: begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten, mangelnde wirtschaftliche Unabhängigkeit, kaum Teilhabe an lokalen Entscheidungsprozessen sowie fehlendes Vertrauen in örtliche Institutionen. Dieses Gefühl der Ausgrenzung macht sie mitunter anfällig dafür, in die Fänge extremistischer und gewalttätiger Gruppen zu gelangen.
In schweren Zeiten Fuß fassen
Leicht war das Leben von Nobiyèle noch nie. Als sie in der vierten Klasse war, verstarb unerwartet ihr Vater. Ihre Mutter konnte sich das Schulgeld allein nicht leisten, weshalb Nobiyèle gezwungen war, die Schule abzubrechen. „Es war eine schwierige Zeit für uns“, kommentiert sie ihre Kindheit.

„Ich war frustriert, weil ich das Gelernte nicht in die Praxis umsetzen konnte und hatte Angst, dass ich alles vergessen würde.“
Entschlossen, dennoch einen neuen Weg einzuschlagen, lernte das Mädchen mit der Hilfe ihrer Mutter nähen und begann eine Lehre als Damenschneiderin. Allerdings konnte sich die Familie keine Nähmaschine leisten, was die Ausbildung für Nobiyèle zur Herausforderung machte. „Ich war frustriert, weil ich das Gelernte nicht in die Praxis umsetzen konnte. Ich hatte Angst, dass ich vergessen würde, was mir beigebracht wurde“, sagt sie heute.
Mit ihrem Durchhaltevermögen und Fleiß schloss sie die Lehre schließlich erfolgreich ab. Nur konnte sie ohne eigene Nähmaschine nicht arbeiten. Um über die Runden zu kommen, half die inzwischen verheiratete Frau manchmal anderen Näherinnen, wenn sie Arbeit hatten. Mit Gelegenheitsjobs konnte sie sich gerade so über Wasser halten. „Aber ich konnte nicht in Spargruppen einzahlen, um mir ein bisschen Geld zu leihen“, erzählt sie.

Eine Nähmaschine bringt neue Hoffnung
„Damals überlegten mein Mann und ich, an die Elfenbeinküste zu ziehen“, so Nobiyèle weiter. Der Plan des Paares war, auf einem Bauernhof zu arbeiten, bis sie sich genug Geld für eine Nähmaschine angespart hatten und unabhängig werden konnten. „Trotz der Risiken waren wir bereit, alles zu tun, um unsere Situation zu ändern, denn ich war zu diesem Zeitpunkt mit unserer ersten Tochter schwanger.“ Da sie auch nicht genug Geld für die Schwangerschaftsvorsorge hatten, war Migration die vermeintlich einzige Chance auf ein besseres Leben.
Doch dann erfuhren sie von einem Projekt, das jungen Leuten die nötigen Mittel an die Hand gibt, um sich selbstständig zu machen. Also nahmen sie an einem Gemeindetreffen teil und im Anschluss meldete Nobiyèles Mann seine Frau für das Projekt an. Kurze Zeit später erhielt die gelernte Schneiderin ihre erste eigene Nähmaschine.
Ein Projekt, das Perspektiven schafft
Das Projekt, dem sich Nobiyèle und ihr Mann angeschlossen haben, richtet sich an junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren. Unter anderem Schulabbrecher:innen wie Nobiyèle sollen dadurch die Chance bekommen, eine handwerkliche oder unternehmerische Ausbildung zu machen und die Ausrüstung erhalten, die sie zur Gründung eines eigenen Unternehmens benötigen. Das wirkt ökonomischen Fluchtursachen entgegen, dämmt Kriminalität ein, stärkt den sozialen Zusammenhalt und fördert die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen und Männer.
Finanziert wird das Projekt von der Europäischen Union und der schwedischen Agentur für internationale Entwicklung. Das Ziel ist es, die Kapazitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen und staatlicher Institutionen auf lokaler Ebene auszubauen und so die politischen und wirtschaftlichen Rechte junger Menschen – insbesondere Frauen – in der Region Savanes zu stärken.



Starke Familienbande machen stark für die Zukunft
„Die Nähmaschine hat mein Leben verändert“, freut sich Nobiyèle. „Bisher habe ich in weniger als drei Monaten 15 Anzüge genäht. Vor allem Frauen, Mädchen und Kinder aus dem Dorf kommen zu mir, besonders bei Festen und großen Veranstaltungen, wenn Uniformen angefertigt werden müssen.“ Pro Anzug verlangt die Schneiderin zwischen 2.000 und 2.500 CFA-Francs, umgerechnet sind das etwa 3,80 Euro.
Für Nobiyèle ist die Nähmaschine aber weit mehr als ein Arbeitsgerät. Sie ist eine Möglichkeit, ihren Teil zum Familieneinkommen beizutragen. „Früher hat sich mein Mann um alles gekümmert, aber jetzt leiste auch ich meinen Beitrag“, erklärt sie stolz. Das zusätzliche Einkommen ermöglicht es der ehrgeizigen jungen Frau auch, in die Zukunft zu planen. Sie möchte ihre eigene Werkstatt eröffnen, Lehrlinge ausbilden und die Schuluniformen ihrer Kinder nähen, um Geld zu sparen. Aber auch über ihre eigene Familie hinaus will sie eine Wirkung erzielen. Indem sie ihre Fähigkeiten an andere junge Menschen weitergibt, will Nobiyèle zum Wachstum ihrer Gemeinschaft beitragen.
Durch ihren starken Zusammenhalt hat das junge Paar den Sprung in die Eigenständigkeit geschafft. „Mein Mann hat mich immer unterstützt, besonders in schwierigen Zeiten. Er hat mich sehr ermutigt“, sagt Nobiyèle liebevoll. „Wir haben erkannt, dass wir auch hier erfolgreich sein können. Wir müssen nicht mehr woanders nach Lösungen suchen.“ Das Lächeln auf Nobiyèles Lippen ist Zeugnis ihrer Zuversicht – dass sie und ihre Familie sich nach all den Widrigkeiten in ihrem Heimatdorf nun ein gutes Leben aufbauen können.
Dieser Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Togo erstellt.