
Jungunternehmerin statt Kinderbraut
In den entlegenen Provinzen im Norden Kambodschas, wo sich Zuckerpalmen im Wind wiegen und Motorräder über staubige Dorfstraßen rattern, wachsen Mädchen wie Kanada, Pov, Rathanaty und Sopheak auf.
Traditionell bestimmt hier oft die frühe Ehe den Lebensweg. Doch diese jungen Frauen haben sich entschieden, Rollenbilder neu zu definieren.


Kanada – die Mechanikerin
„Ich denke nicht, dass Motorradreparatur nur ein Job für Jungs ist. Mädchen können das auch“, sagt die 24-jährige Kanada und wischt sich mit ölverschmierten Händen über die Stirn. In ihrer eigenen Werkstatt beugt sie sich selbstbewusst über einen Motorblock – ein Bild, das in ihrem Dorf noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre.
Mit 17 sollte Kanada verheiratet werden. „Als man es mir sagte, ging es mir gar nicht gut“, erinnert sie sich. „Ich hatte große Angst, weil ich nicht wusste, was die Zukunft bringen würde.“
Durch ein Ausbildungsprogramm von Plan International fand sie den Weg in die Motorradreparatur. Obwohl sie als einzige Frau im Kurs zunächst belächelt wurde, hielt sie durch. Heute betreibt sie ihre eigene Werkstatt, hat Stammkund:innen und träumt davon, weitere junge Mechanikerinnen auszubilden. „Ich bin stolz, unabhängig zu sein“, sagt sie.


Pov – die Stylistin
Auch die heute 24-jährige Pov musste jung heiraten – mit 16 Jahren. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wie ich meine Familie ernähren könnte“, erzählt sie. Mit nur sieben Jahren hatte sie die Schule verlassen, um auf dem Hof ihrer Familie zu arbeiten. Ihre Perspektiven waren begrenzt.
Die Wende kam mit einer Ausbildung im Bereich Kosmetik. „Ich lernte, Nägel zu machen, Haare zu schneiden und Make-up aufzutragen.“ Trotz Kritik aus ihrem Umfeld, weil sie während der beruflichen Weiterbildung die Erziehung ihres Kindes ihrem Mann überließ, gab sie nicht auf. Heute führt Pov ihren eigenen Schönheitssalon. Ihre Botschaft ist klar: „Heiratet nicht zu früh. Konzentriert euch auf Ausbildung und Arbeit.“


Rathanaty – das Vorbild
Rathanaty, heute 21 Jahre alt, heiratete ebenfalls schon als Kind und bekam bereits mit 17 ihren ersten Sohn. Doch ein Alltag voller Konflikte und Belastungen führte bald zur Trennung. „Wir waren noch jung, uns fehlte die Geduld“, sagt sie rückblickend.
Da hörte sie von der Möglichkeit zur Ausbildung in der Schönheitspflege. Heute leitet sie nicht nur ihren eigenen Salon, sondern bildet auch junge Menschen aus. Mit ihrem Einkommen finanziert sie die Schule ihres Sohnes und sogar die Ausbildung ihrer Geschwister. „Mein Rat: Wenn man jung ist, kann man vieles noch nicht überblicken. Aber Bildung und die eigenen Fähigkeiten schärfen und erkennen sind der Schlüssel.“


Sopheak – die Stimme der Jugend
Die 17-jährige Sopheak ist Präsidentin des Jugend- und Kinderclubs in ihrer Gemeinde in der Provinz Ratanakiri. Noch vor wenigen Jahren war sie schüchtern und unsicher. Heute spricht sie vor Dorfältesten und Behörden, organisiert Aufklärungskampagnen und ermutigt andere Mädchen, ihre Rechte einzufordern.
„Ohne den Club wäre ich vielleicht schon verheiratet oder eine junge Mutter“, sagt sie. „Jetzt konzentrieren wir uns gemeinsam auf unsere Bildung und eine bessere Zukunft.“
Mit ihrem Team unterrichtet sie Gleichaltrige an Schulen, dreht kurze Videos für Social Media und geht in die Dörfer, um über Kinderheirat, Schulabbrüche und Gewalt zu sprechen. „Früher gehorchten Mädchen, wenn Eltern eine frühe Ehe arrangierten. Heute erklären sie, warum sie nicht heiraten wollen. Sie wissen um die Folgen.“
Dank ihres Engagements sind in ihrer Gemeinde bereits Mädchen in die Schule zurückgekehrt, und die Zahl der Kinderehen sinkt. „Ich habe gelernt, dass meine Stimme zählt“, sagt Sopheak stolz. „Wenn wir zusammenstehen, können wir viel verändern.“
Die harte Realität
Diese Geschichten stehen stellvertretend für viele. In Kambodscha berichten immer noch 33 Prozent der Frauen zwischen 20 und 24 Jahren, dass sie vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. Acht Prozent sogar vor dem 15. Lebensjahr.
Frühe Ehen kosten Mädchen ihre Bildung: Sie schließen seltener die Schule ab, werden früher Mütter und haben weniger Zugang zu Arbeit und finanzieller Unabhängigkeit. Nur 40 Prozent der kambodschanischen Frauen besitzen ein eigenes Bankkonto, fast die Hälfte hat keine bezahlte Arbeit. Dazu kommt Gewalt: Vier von zehn jungen Frauen, die als Kinder verheiratet wurden, berichten von Übergriffen in der Ehe.
Chancen für kommende Generationen
Programme von Plan International setzen hier an: Sie verhindern frühe Ehen, stärken die Rechte von Mädchen und eröffnen ihnen Wege zu Ausbildung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
Kanada, Pov, Rathanaty und Sopheak sind lebende Beweise dafür, dass Veränderung möglich ist – selbst gegen Widerstände seitens Familie und Gesellschaft.
„Ich bin stolz, eine weibliche Motorradmechanikerin zu sein“, sagt Kanada. „Ich hoffe, dass die nächste Generation dieselben Chancen hat wie ich. Mädchen können alles schaffen – genau wie Jungs.“
Die Geschichten der vier jungen Frauen wurden mit Material aus dem Plan-Büro in Kambodscha aufgeschrieben.