
Afrikas Jugend fordert Veränderung
In Accra, der Hauptstadt von Ghana, war der Saal still, als Benedicta und Shirley nach vorne traten. Die beiden jungen Frauen, beide Anfang zwanzig, überreichten Ghanas Minister für Jugendentwicklung, George Opare-Addo, die Conakry-Jugenddeklaration. Das Dokument bündelt die Stimmen Tausender junger Menschen aus ganz Afrika und fasst zentrale Forderungen zu Bildung, Beschäftigung und politischer Teilhabe zusammen. Entstanden ist die Deklaration auf Basis von umfangreichen Konsultationen und Workshops in mehreren afrikanischen Ländern. Mit der Übergabe wird sie offiziell an die politische Ebene weitergegeben und soll als Grundlage für Diskussionen und mögliche Maßnahmen dienen, um die Lebensbedingungen junger Menschen auf dem Kontinent verbessern.

„Diese Erklärung ist mehr als nur ein Text. Sie ist unsere Forderung nach spürbarer Veränderung.“
Eine Deklaration mit überregionaler Wirkung
Die Deklaration entstand in Conakry, Guinea, wo mehr als hundert junge Führungspersönlichkeiten für eine einwöchige Jugendkonferenz zusammenkamen, um ihre Rolle bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu diskutieren. Das Ergebnis ist ein Katalog von Forderungen, der zentrale Themen bündelt: Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Ungleichheit, Klimawandel und politische Ausgrenzung.
„Wir haben die Stimmen von Tausenden junger Menschen vertreten“, erklärt Benedicta. Die Worte treffen auf einen politischen Kontext, in dem Afrikas Jugend besonders zahlreich ist: Rund 60 Prozent der Bevölkerung des Kontinents sind unter 25 Jahre alt. Viele stehen vor ähnlichen Herausforderungen: sie haben durch mangelnde Arbeitsplätze oft keine Perspektive, ihnen steht nur ein eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsangeboten zu Verfügung und ihr politisches Mitspracherecht ist stark begrenzt.


Ein Platz an den Entscheidungstischen
Ein zentrales Anliegen der Jugendlichen ist die politische Teilhabe. Die Delegierten fordern eine feste Quote: Mindestens 30 Prozent der Sitze in lokalen, nationalen und regionalen Entscheidungsgremien sollen von jungen Menschen besetzt werden. Zudem verlangen sie dauerhafte Foren für den Austausch zwischen Jugend und Regierung. Damit soll verhindert werden, dass Beteiligung nur symbolisch bleibt.
„Viele meiner Freundinnen und Freunde haben Ideen, aber keinen Zugang zu Kapital. Wenn wir die Chance bekommen, können wir Jobs für ganze Gemeinschaften schaffen.“
„Wir wollen nicht länger am Rand sitzen und zuschauen, wie Entscheidungen über unsere Zukunft getroffen werden“, fasst es ein ghanaischer Student zusammen, der an den Verhandlungen in Conakry teilnahm.
Bildung mit Zukunft
Auch das Bildungssystem müsse laut der Erklärung der Jugendlichen reformiert werden. In der Deklaration fordern sie eine deutliche Erhöhung der nationalen Budgets, die Anpassung von Lehrplänen an den Arbeitsmarkt und inklusive Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderungen. Zudem sollen Sexualaufklärung und Finanzkompetenz verpflichtend unterrichtet werden. Ziel ist es, Schulen und Universitäten so auszurichten, dass sie auf das Leben nach dem Abschluss vorbereiten.
Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine der größten sozialen Herausforderungen in vielen afrikanischen Ländern. Deshalb richtet sich ein ganzer Abschnitt der Erklärung an die Regierungen: Sie sollen Zugangshürden wie überhöhte Berufserfahrungsanforderungen abbauen, Finanzierungen für Start-ups erleichtern und Steuererleichterungen für junge Gründer:innen einführen.

„Wir sind die Generation, die die Folgen des Klimawandels am deutlichsten spüren wird.“
Im Bereich Gesundheit setzen die Jugendlichen klare Akzente. Gefordert werden Steuerbefreiungen für Menstruationsprodukte, eine bessere psychische Gesundheitsversorgung in Schulen und Gemeinden sowie die konsequente Umsetzung von Gesetzen gegen weibliche Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Teenagerschwangerschaften.
Auch die Klimakrise ist fest in der Erklärung verankert. Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sollen im Unterricht besprochen und diskutiert werden. Gleichzeitig fordert die Jugend staatliche Unterstützung für ihre Initiativen: Wiederaufforstung, Recyclingprojekte oder Investitionen in erneuerbare Energien. Grünflächen in Städten und Dörfern gelten ihnen dabei als ebenso wichtig wie technologische Lösungen.
„Unsere Zukunft ist jetzt“
Nach der Übergabe in Accra lobt Jugendminister George Opare-Addo die Initiative: „Diese mutige Erklärung fordert uns als Führungskräfte heraus. Wir nehmen sie ernst.“ Auch Alhaji Inusah Mahama von der Nationalen Jugendbehörde betont die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Von zivilgesellschaftlicher Seite erklärt Constant Tchona, Landesdirektor von Plan International Ghana: „Junge Menschen sollten nicht nur gehört werden. Sie müssen an den Entscheidungstischen sitzen.“
Am Ende der Conakry-Erklärung steht ein Satz, der nachwirkt: „Unser Engagement ist uneingeschränkt, unsere Stimme ist stark, unsere Zukunft ist jetzt.“ Ob die Forderungen der Jugendlichen in konkrete Politik münden, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Afrikas Jugend hat eine gemeinsame Agenda formuliert – umfassend, konkret und unmissverständlich.
Die Geschichten von Benedicta und Shirley wurden mit Material aus dem ghanaischen Plan-Büro aufgeschrieben.
