
Für Chancengleichheit im Radsport
Fahrräder sind in Ruanda, gerade in den ländlichen Regionen, nicht aus dem Alltag wegzudenken. Die Menschen nutzen sie kommerziell als Fahrrad-Taxis sowie privat – nicht nur, um damit flexibel von A nach B zu kommen, sondern auch um Waren zu transportieren. Der Größe sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt: stapelweise Bananen, kiloschwere Säcke, meterlange Stangen, sogar ganze Sofas werden auf die Gepäckträger geschnallt und auf zwei Rädern an ihr Ziel verfrachtet.
Wenig verwunderlich: auch der Radsport wird in Ruanda großgeschrieben. Im September 2025 finden in der Hauptstadt Kigali die World Cycling Championships statt. Dominiert wird der Sport – wie so viele Disziplinen – vorwiegend von Jungen und Männern. Diesen Status quo will die 16-jährige Amina ändern.


Wie aus Begeisterung eine Karriere wird
Sie ist elf Jahre alt, als ihr Vater ihr das Radfahren beibringt. Mit der Zeit wächst ihre Begeisterung für den Sport immer mehr – und sie beginnt, an Wettbewerben teilzunehmen. Allerdings fällt ihr früh auf, dass sie in den Trainings eines der wenigen Mädchen ist. Das liege daran, erklärt sie, dass Mädchen und Frauen in Ruanda durch kulturelle Normen und damit verbundene Selbstzweifel den Radsport vorwiegend als Männerdomäne wahrnehmen.
„Am Anfang hatte auch ich Angst, mich bei den Rennen mit den Jungs zu messen“, gibt Amina offen zu. „Ich dachte sogar daran, aufzuhören, weil es für mich als Mädchen zu schwierig war.“ Aber ehrgeizig, wie sie ist, will sie beweisen, dass auch Mädchen erfolgreiche Profi-Radfahrerinnen werden können.
„Je mehr Rennen ich fuhr, desto mehr erkannte ich mein Potenzial. Jedes Rennen hat mein Selbstvertrauen gestärkt.“
Zunächst schließt sich Amina dem Radsportteam von „Bike for Future“ an – einem Projekt, das Mädchen und Jungen in den Distrikten Gatsibo und Bugesera Trainingsmöglichkeiten bietet, den Zugang zu Wettkämpfen erleichtert und außergewöhnliche Talente fördert. Außerdem erlernen die Teilnehmer:innen berufliche Fähigkeiten wie Fahrradmechanik, Schweißen, Schneidern sowie Informations- und Kommunikationstechnologie.
Plan International unterstützt das Projekt und will den Jugendlichen damit zu mehr Selbstbestimmung verhelfen und sie ermutigen sowie ihnen dabei helfen, eine Karriere zu starten. Da mit den Maßnahmen sowohl Mädchen als auch Jungen angesprochen werden, stellt „Bike for Future“ Geschlechterstereotypen in Frage und hebt hervor, dass Sport positive Veränderungen vorantreiben kann.

Rennen um Rennen neue Erfolge einfahren
Inzwischen hat sich Amina zu einem aufsteigenden Stern in der ruandischen Radsportszene entwickelt. „Je mehr Rennen ich fuhr, desto mehr erkannte ich mein Potenzial“, sagt sie. „Jedes Rennen hat mein Selbstvertrauen gestärkt. Jetzt glaube ich, dass ich jeden schlagen kann.“ Mit ihrer Leidenschaft inspiriert sie auch andere junge Mädchen, ihre Träume zu verfolgen – ungeachtet der Hindernisse, denen sie begegnen.
Aminas Mutter Beatrice ist anfänglich skeptisch, was die Sportkarriere ihrer Tochter angeht. Sie befürchtet, die Trainings könnten sich negativ auf ihre schulischen Leistungen und damit ihre Zukunftsaussichten auswirken. „Ich wollte, dass sich meine Tochter nur auf die Schule und häusliche Pflichten konzentriert“, gibt sie zu. „Ich hatte Angst, dass der Radsport sie ablenken und sie Situationen aussetzen würde, mit denen sie nicht zurechtkommt.“


Diese Sichtweise ändert sich jedoch schlagartig, als Amina immer mehr Medaillen nach Hause bringt. „Als ich ihren Erfolg sah, wurde mir klar, dass sie die volle Unterstützung ihrer Eltern braucht“, so Beatrice weiter. „Der Radsport ist für sie nicht nur ein Hobby. Es ist ihre Leidenschaft, und sie ist sehr talentiert. Es könnte wirklich ihre zukünftige Karriere sein.“
Mit ordentlich Rückenwind ans Ziel
Beatrice ermutigt nun auch andere Eltern, die Pläne ihrer Kinder zu unterstützen, statt sie ihnen zu diktieren. Das helfe den Mädchen und Jungen dabei, selbstbewusster und unabhängiger zu werden, wenn es darum geht, über die eigene Zukunft zu entscheiden, betont die engagierte Mutter.
Amina gibt der Rückhalt ihrer Eltern jedenfalls enorme Sicherheit – ebenso wie die Zugehörigkeit zu einem professionellen Radsportteam. Zweimal pro Woche trainiert sie, diszipliniert und stets mit allerhöchstem Einsatz für ihr Team. Heute ist sie eine der wichtigsten Teilnehmerinnen bei der Vorbereitung auf den Weltcup im September.
„Wir Mädchen brauchen Räume, in denen wir unser Potenzial unter Beweis stellen können.“

Und Vorbereitung ist – im Sport und in so vielen anderen Dingen im Leben – alles: An 12 Rennen hat Amina schon teilgenommen, mit Erfolg. „Immer wenn ich eine Medaille gewonnen habe, hat mich das in dem Glauben bestärkt, dass ich auch die Meisterschaften gewinnen kann. Mit jedem Rennen, an dem ich teilnehme, wächst meine Entschlossenheit“, sagt sie. Beim Rwanda Youth Racing Cup, der als Trainingscamp für zukünftige Radsportstars gilt, hat sie zwei Rennen in der Kategorie der unter 17-Jährigen gewonnen und wurde damit Gesamtsiegerin.
Sport ist so viel mehr als nur Wettkampf
Aber für Amina geht es beim Radsport um mehr als nur um Wettkämpfe. Es geht ihr darum zu beweisen, dass Mädchen gleiche Chancen im Sport verdienen wie Jungen. „Wir Mädchen brauchen Räume, in denen wir unser Potenzial unter Beweis stellen können“, sagt sie. „Anspruchsvolle Radrennen zu gewinnen, hat mich stärker, fleißiger und entschlossener gemacht.“
Sie hofft, mit ihren Erfolgen mehr Mädchen dazu ermutigen zu können, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und ihre Talente offen zu zeigen. Und sie träumt davon, ihr Heimatland bei internationalen Wettbewerben zu vertreten. Eines ist auf jeden Fall sicher: Aufgeben kommt für Amina niemals in Frage.
Aminas Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Ruanda aufgeschrieben.