Bildung ist ein Menschenrecht

Foto: Plan International

Viele Kinder mit Behinderungen in Kamerun stoßen auf strukturelle Barrieren, die ihnen den Zugang zur Schule erschweren. Für Ibrahim veränderte sich diese Realität, als er erstmals selbstständig den Weg ins Klassenzimmer bewältigen konnte.

Für den 13-jährigen Ibrahim war der Schulbesuch über Jahre hinweg keine Option. Die Wege rund um sein Dorf im Norden Kameruns sind für Kinder mit Mobilitätseinschränkungen kaum zu bewältigen, alternative Transportmöglichkeiten standen seiner Familie nicht zur Verfügung. Ibrahim verbrachte seine Tage überwiegend zu Hause, während seine Altersgenossen zur Schule gingen.

Als ihm schließlich ein Dreirad-Rollstuhl zur Verfügung gestellt wurde, veränderte sich diese Situation grundlegend. Ein vergleichsweise einfaches Hilfsmittel schuf eine Mobilität, die bislang unerreichbar war und die es ihm erlaubte, seinen Schulweg eigenständig zurückzulegen. Für Ibrahim markierte dieser Moment nicht nur eine praktische, sondern eine tiefgreifende Veränderung: Er konnte erstmals selbstbestimmt entscheiden, dass er am Unterricht teilnehmen wollte – und er konnte diesen Entschluss auch umsetzen.

Ibrahim im Dreirad-Rollstuhl
Ibrahim kann dank des Dreirad-Rollstuhls wieder zur Schule gehen Plan International
Ibrahim in der Schule
Ibrahim kann endlich wieder am Unterricht teilnehmen Plan International

Lernen unter neuen Voraussetzungen

Ibrahim begann zunächst in einem Förderprogramm, das Kindern den Wiedereinstieg ins Lernen erleichtert. Bald darauf wechselte er in eine reguläre Grundschule, wo er heute die zweite Klasse besucht. Zum ersten Mal konnte er systematisch lesen und schreiben üben, Aufgaben lösen und Französisch lernen. Die Teilnahme am Unterricht eröffnet ihm einen Zugang zu Fähigkeiten, die ihm lange verwehrt geblieben waren. Seine Lehrkräfte beschreiben ihn als aufmerksam und ausdauernd, Mitschülerinnen und Mitschüler haben ihn inzwischen fest in den Klassenalltag integriert.

Gleichzeitig ist der Schulbesuch für ihn weiterhin mit praktischen Herausforderungen verbunden. Böden sind häufig uneben, Wege schwer passierbar. Auch im Klassenraum muss er viel improvisieren, um sich mit dem Dreirad zu bewegen. Dennoch ist er jeden Tag anwesend.

Barrieren, die größer sind als ein Schulweg

Ibrahims Geschichte steht exemplarisch für die strukturellen Schwierigkeiten, mit denen Kinder mit Behinderungen in Kamerun konfrontiert sind. Die Gründe liegen in der fehlenden Barrierefreiheit von Schulen, langen Entfernungen zwischen Wohnort und Unterrichtsort, geringen finanziellen Ressourcen vieler Familien und der insgesamt angespannten Infrastruktur in mehreren Regionen.

Der Norden Kameruns ist zudem von Sicherheitsrisiken und wiederkehrenden Konfliktsituationen betroffen, die den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen beeinträchtigen. Diese Faktoren führen in ihrer Kombination dazu, dass die Einschulungsrate von Kindern mit Behinderungen niedrig bleibt und der Unterrichtsalltag häufig von Unterbrechungen geprägt ist. Für viele Familien ist es nicht eine Frage des Wollens, sondern eine Frage der Rahmenbedingungen, ob ein Kind überhaupt am Bildungssystem teilnehmen kann.

„Sobald es abends dunkel ist, kann ich nicht weiterlernen, weil wir zu Hause kein Licht haben.“

Ibrahim (13), über die prekären Lernverhältnisse

Herausforderungen und Ziele

Trotz der täglichen Herausforderungen entwickelt Ibrahim eine klare Vorstellung davon, was er später tun möchte. Er möchte Arzt werden. Seine Begründung ist schlicht: Er möchte Menschen helfen und hat in seiner eigenen Lebensrealität früh erfahren, was fehlende Unterstützung bedeuten kann. Zu Hause fällt ihm das Lernen allerdings schwer. Der Haushalt hat keinen Strom, und sobald die Sonne untergeht, ist es nahezu unmöglich, Hausaufgaben zu erledigen. 

Wie lokale Projekte Barrieren abbauen

Ibrahims Zugang zur Schule wurde durch ein von der Europäischen Union finanziertes und von Plan International umgesetztes Projekt möglich. Diese Zusammenarbeit hat es ihm und bislang 338 weiteren Kindern in der Region ermöglicht, wieder in das formale Bildungssystem einzusteigen. Das Projekt arbeitet eng mit lokalen Gemeinden, Schulen und Behörden zusammen, um Hindernisse zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln, die langfristig tragfähig sind.

Dabei geht es nicht ausschließlich um Hilfsmittel wie Rollstühle oder Dreiräder, sondern ebenso um Sensibilisierungsarbeit in Gemeinden, Unterstützung für Lehrkräfte, die Verbesserung der Lernumgebung und die Stärkung von Strukturen, die inklusive Bildung ermöglichen sollen. In schwer erreichbaren Gebieten wie dem Extrême-Nord ist diese Arbeit besonders komplex und setzt verlässliche lokale Partnerschaften voraus.

Ibrahim im Dreirad-Rollstuhl
Ibrahim kann nun zur Schule gehen und seinen Traum, Arzt zu werden, verfolgen Plan International

Veränderungen, die über eine einzelne Geschichte hinausgehen

Seit Ibrahim regelmäßig am Unterricht teilnimmt, hat sich auch die Wahrnehmung in seinem Umfeld verändert. Sein täglicher Schulweg zeigt auf praktische Weise, was möglich wird, wenn Barrieren ernst genommen und konsequent reduziert werden. In seiner Gemeinde wird zunehmend diskutiert, wie wichtig es ist, dass jedes Kind, unabhängig von seinen körperlichen Voraussetzungen, Zugang zu Bildung hat.

Ibrahims Fortschritte verdeutlichen, dass individuelle Entschlossenheit und strukturelle Unterstützung miteinander verzahnt sein müssen, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Dass er heute jeden Morgen zur Schule fährt, ist Ausdruck eines funktionierenden Zusammenspiels zwischen persönlichem Einsatz, familiärer Unterstützung und gezielten Bildungsmaßnahmen.

Die Geschichte von Ibrahim wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Kamerun aufgeschrieben. 

Mit einer Patenschaft helfen

Mit Ihrer Hilfe können wir Kindern in Kamerun die Chance auf ein besseres Leben geben. Eine Patenschaft unterstützt nicht nur das Patenkind und seine Familie, sondern fördert Projekte direkt vor Ort – wie etwa solche, die Einkommensmöglichkeiten von Familien verbessern, gleiche Bildungschancen für alle Kinder schaffen, die Gesundheit von Kindern und Müttern verbessern und den Kinderschutz sowie die kindzentrierte Katastrophenvorsorge stärken.

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