
Gegen die langen Schatten der Ungerechtigkeit
In der Region Cusco im Süden Perus ragen die majestätischen Berge des Anden-Gebirges hoch in den Himmel und werfen ihre langen Schatten auf die belebten Täler. In dem ländlichen Bezirk Acomayo, einem von insgesamt 13 Bezirken der Region, scheint das Leben dem ruhigen Rhythmus der Landidylle zu folgen. Die Landwirtschaft bestimmt den Alltag der meisten dort lebenden Menschen, es herrscht eine atemberaubende Vielfalt an Pflanzen und das Klima ist trotz der Höhenlage angenehm warm.
Dieses beeindruckende Fleckchen Erde ist die Heimat der 15-jährigen Mitzy, die auf den ersten Blick ein ganz gewöhnliches Leben führt. Sie geht zur Schule, treibt Sport, liest und sieht sich Filme an. Doch hinter ihrer täglichen Routine verbirgt sich eine starke Stimme, mit der sie seit ihrem 12. Lebensjahr gegen Ungleichheit kämpft.



Ihr Ziel: Sie will die Geschichte ihrer Gemeinde neu schreiben, indem sie die Lebenssituation für Mädchen, Jugendliche und Frauen verbessert. Mit ihrer unermüdlichen Energie durchbricht sie nicht nur das Schweigen, sondern auch die Welle der Stereotypen, die ihre Region bedrohen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie sich vor drei Jahren dem Projekt „Decidir sin Violencia“ (Entscheiden ohne Gewalt) von Plan International angeschlossen.
Strukturelle Ungerechtigkeit, schwache Strafverfolgung und Machismo
Mitzys Engagement findet vor dem Hintergrund großer struktureller Ungerechtigkeiten statt. In Peru berichten fast 60 Prozent der Frauen, dass sie im Laufe ihres Lebens Gewalt durch ihren Partner erfahren haben. Das geht aus der Erhebung zur Demografie und Familiengesundheit 2019 des peruanischen Instituts für Statistik und Informatik hervor.

Sexuelle Gewalt ist ein großes Problem in dem lateinamerikanischen Land: Jedes Jahr werden Tausende von Fällen gemeldet. Stigmatisierung und schwache Strafverfolgung lassen vermuten, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Peru hat seit 2015 zwar Gesetze zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt reformiert und ein spezialisiertes Justizsystem eingeführt, doch Diskriminierung und das Bild des machohaften Mannes sind weiterhin tief in der Gesellschaft verankert.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden 2022 täglich 16 Mädchen und junge Frauen Opfer von sexuellem Missbrauch. Offiziellen Angaben zufolge, wurden im selben Jahr 147 Femizide – also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts – registriert, knapp 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Zudem soll es über 170.000 gemeldete Anrufe wegen Gewalt gegen Frauen gegeben haben.
„Ich helfe Frauen, Mädchen und Jugendlichen dabei, sich frei und ungezwungen ausdrücken zu können.“
Mitzy wird zum Vorbild für eine ganze Generation
Vor allem in ländlichen Gebieten wie Cusco sind Mädchen einer erhöhten Gefahr ausgesetzt – häufig verschärft durch Armut und festgefahrene kulturelle Normen. „Die größten Herausforderungen, mit denen wir als Mädchen und Frauen konfrontiert sind, sind Gewalt, Geschlechterstereotypen und Mobbing“, erklärt Mitzy entschlossen. „Das beeinträchtigt uns emotional und psychisch. Es lässt uns sogar an unseren eigenen Fähigkeiten zweifeln.“
Doch Mitzy weigert sich, diesen Zustand einfach hinzunehmen. In den letzten drei Jahren hat sie ihre Führungsqualitäten stetig weiterentwickelt und leitet inzwischen Workshops zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt in ihrer Schule. Außerdem organisiert sie Sportinitiativen, die Vorurteile in Frage stellen.


„Diese Aktivitäten geben mir ein gutes Gefühl, weil ich Frauen, Mädchen und Jugendlichen dabei helfe, sichere Räume zu schaffen, in denen sie sich frei und ungezwungen ausdrücken können“, sagt die 15-Jährige stolz. Mitzy hat erreicht, dass Mädchen jetzt zusammen mit Jungen Fußball spielen, und dass Jungen ohne Angst vor Verurteilung ihre Begeisterung für Volleyball ausleben können – einer Sportart, die in Peru eher mit Frauen assoziiert wird.
„Ich sehe Veränderungen in meiner Gemeinde“, freut sich die Jugendaktivistin. „Frauen arbeiten, unterstützen ihre Familien und sind unabhängiger. In meiner Schule treiben Mädchen und Jungen dieselben Sportarten und haben keine Angst mehr davor, was andere sagen werden.“




Eine breite Bewegung für ein sicheres, gewaltfreies Umfeld
Mitzys Einfluss reicht aber weit über die Grenzen des Schulgeländes hinaus. Letztes Jahr wandte sie sich an den Bürgermeister ihres Bezirks und legte ihm einen detaillierten Plan vor, der die Probleme der Kinder und Jugendlichen in Acomayo thematisierte und Lösungsvorschläge aufzeigte. Ihr Impuls führte zu einer städtischen Verordnung, die den Verkauf von Alkohol an Jugendliche verbietet – ein greifbarer Sieg in ihrem Kampf für eine sicherere Gemeinde.
Das Wissen und das Selbstbewusstsein, um all diese Schritte zu gehen, hat Mitzy aus ihrer Teilnahme an dem Plan-Projekt mitgenommen. In praxisnahen Kursen schult die Kinderrechtsorganisation 569.000 Mädchen und junge Frauen in ganz Südamerika, um Gewalt zu verhindern und Veränderungen in den Projektgemeinden zu bewirken.

„Durch mein Engagement habe ich neue Wege gefunden, um Veränderungen in meiner Gemeinde zu bewirken.“
Das Projekt arbeitet in den Regionen Cusco, Lima, Piura und Loreto und will junge Menschen dazu befähigen, lokale Politik zu stärken und Probleme wie frühe Schwangerschaften und geschlechtsspezifische Ungleichheit anzugehen. Durch gezielte Schulungen fördert Plan so die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Jugendlichen und legt die Grundsteine dafür, dass sie sich ein sicheres, gewaltfreies Umfeld schaffen können.
Eine Welt, in der Mädchen grenzenlos träumen können
Für Mitzy ist ihre Rolle als Aktivistin eine echte Berufung. „Durch diese Erfahrung habe ich neue Wege gefunden, um Veränderungen in meiner Gemeinschaft zu bewirken“, erzählt sie strahlend. „Ich kann dazu beitragen, die Denkweise der Menschen zum Wohle meiner Gemeinde zu verändern.“

Ihr Eifer fördert ein Umfeld, in dem Mädchen grenzenlos träumen können – eine Vision, die sie auch selbst verkörpert. Mitzy träumt davon, Zahnmedizin zu studieren und ihre eigene Klinik zu eröffnen. Ein Ziel, das sie mit unerschütterlicher Entschlossenheit verfolgt. „Ich glaube, dass ich es schaffen werde“, beteuert sie, und ihre Zuversicht ist ansteckend.
Eine mutige Botschaft für die Zukunft
Mitzys Botschaft an Mädchen und Frauen in ihrem Heimatland könnte kaum klarer sein: „Bleibt nicht stehen, schränkt euch nicht ein, und wisst, dass wir alles erreichen können, was wir uns vornehmen.“ Ihre Geschichte zeigt eindrücklich, was junge Menschen bewegen können, wenn sie die Möglichkeit bekommen, eine Führungsrolle einzunehmen.
Durch ihren Mut und ihr Engagement verändert Mitzy nicht nur ihre Gemeinde, sondern inspiriert eine ganze Generation, sich über Stereotypen und Gewalt hinwegzusetzen. „Das Land, das ich mir wünsche, ist ein Land, in dem Frauen und Mädchen ohne Angst leben können“, betont sie. „Ein Land frei von Gewalt, frei von Diskriminierung, das für uns alle sicher ist.“
Während die Sonne über den Anden untergeht, strahlt Mitzys Entschlossenheit heller denn je. Sie bildet unermüdlich Jugendliche aus und beweist, dass selbst eine einzelne entschlossene Stimme eine Welle des Wandels auslösen kann. Es braucht lediglich eine Person, die unbeirrt an eine bessere Zukunft glaubt – und mutig genug ist, sie aufzubauen.
Die inspirierende Geschichte von Mitzy wurde mit Hilfe von Material aus dem peruanischen Plan-Büro erstellt.