Drei Monate nach dem Beben

Foto: Aung Moe Hein

Das Erdbeben in Myanmar kostete Hunderttausende Menschen ihr Zuhause, Tausende verloren ihr Leben. Ein Zwischenstand nach drei Monaten humanitärer Hilfe.

Am 28. März 2025 erschütterte ein schweres Beben in Myanmar die Erde, und mit ihr das Leben zahlreicher Menschen. Plan International leistet in den betroffenen Gebieten seit drei Monaten humanitäre Hilfe – dazu gehören die Bereitstellung von Notunterkünften, die Verteilung von Nahrungsmitteln, Wasser und anderen lebenswichtigen Gütern sowie Schutzmaßnahmen für Kinder und ihre Familien. Die Bedarfe vor Ort sind nach wie vor groß.

Die 23-jährige Nan* weiß das aus erster Hand. Sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben ein so starkes Erdbeben miterlebt. „Ich war geschockt, als die Erde plötzlich bebte. Ich habe geweint, weil ich Angst hatte und ganz allein war. Wegen der zusammengebrochenen Internet- und Telefonverbindungen konnte ich meine Familie nicht erreichen“, erinnert sie sich. Doch sie entschied sich, ihrer Angst nicht klein beizugeben. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, begann sie, den Menschen in ihrer Nachbarschaft zu helfen. Zunächst mit tröstenden Worten, dann auch mit Taten. Inzwischen arbeitet sie als freiwillige Helferin für Plan International.

*Name zum Schutz der Identität geändert

Eine Gruppe Menschen steht unter einem Planendach und wartet
Plan International verteilt Hilfspakete an vom Erdbeben betroffene Familien in Mandalay Aung Moe Hein
Eine junge Frau steht mit einem Handmikrofon in einer Gruppe anderer junger Frauen
Nan (Mitte) engagiert sich als Freiwillige in einem der Kinderschutzräume in Mandalay Plan International
Frauen sitzen am Boden und lauschen einem Vortrag
Frauen lauschen einer Sicherheitsschulung von Plan International Aung Moe Hein

Das Ausmaß der Zerstörung

Laut offiziellen Angaben aus Myanmar wurden bei dem Beben im März über 3.700 Menschen getötet, über 5.100 wurden verletzt oder werden noch vermisst, fast 210.000 mussten aus ihren Häusern flüchten, da diese entweder schwer beschädigt oder zerstört wurden. Die Weltbank schätzt den entstandenen Sachschaden auf etwa 11 Milliarden Dollar.

Drei Monate nach der Katastrophe besteht der dringendste Bedarf an Notunterkünften sowie bei der Renovierung und dem Wiederaufbau beschädigter Schulen. Auch Schutzmaßnahmen sind benötigt – insbesondere für Mädchen, Jugendliche und Frauen. Denn die Behelfsunterkünfte, in denen immer noch viele Menschen leben, bieten wenig Privatsphäre und Sicherheit, was das Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt erheblich erhöht.

Die Märkte, welche die Menschen mit Lebensmitteln versorgen, öffnen zwar langsam wieder, aber das tägliche Leben bleibt beeinträchtigt. Strom, sauberes Wasser und Hygieneartikel sind weiterhin knapp. Inmitten von Angst, Verlust und Ungewissheit haben viele Menschen ihre tägliche Routine verloren – besonders Kinder leiden unter dem emotionalen Trauma. Die meisten Schulen in den betroffenen Gebieten arbeiten aufgrund der Schäden nur im eingeschränkten Schichtbetrieb, und auch die reguläre Gesundheitsversorgung ist weitgehend unterbrochen.

Erschwerend kommt die Monsunzeit hinzu, deren heftige Regenfälle in den provisorischen Lagern zu Überschwemmungen und verschmutzten Abwassersystemen führen. Durch die schlechten Sanitäranlagen können sich Krankheiten schnell ausbreiten. Die feuchte Hitze – Temperaturen erreichen tagsüber bis zu 40 Grad – bietet außerdem Moskitos eine ideale Brutstätte und erhöht damit das Malariarisiko im Land.

Ein Mann verstaut große blaue Boxen voller Wasserkanister, die mit dem Plan-Logo bedruckt sind, in einem Lieferwagen
In großen Kisten werden Wasserkanister in Notunterkünfte ausgeliefert Plan International

In den Kinderschutzräumen können Mädchen und Jungen in einem sicheren Umfeld zusammen Lernen und Spielen.

Ein Junge spielt mit einer Puppe
Die Kinder dürfen mit den Spielsachen spielen, die sie am meisten interessieren Nay Lin Tun

Kinderschutz an erste Stelle setzen

Plan International reagiert auf die dringenden Bedürfnisse der Mädchen und Jungen sowie Familien vor Ort. Knapp 34.800 Menschen erreichte bereits lebenswichtige Hilfe. Derzeit betreibt die Kinderrechtsorganisation 21 kinderfreundliche Räume in den zentralen Regionen Mandalay und Sagaing, die am stärksten von dem Erdbeben betroffen sind.

In einem dieser Schutzräume arbeitet auch Nan. Die Kinder bekommen dort die Möglichkeit, ihre Emotionen zu verarbeiten und können in einem sicheren Umfeld Lernen und Spielen. „Ich bin zum ersten Mal als Freiwillige tätig“, sagt Nan stolz. „Ich habe nur Erfahrung mit Büroarbeit.“ Zuvor hatte sie als Bankangestellte gearbeitet. Durch die Schulungen von Plan International wuchs sie schnell in ihre neue Tätigkeit hinein.

„Am ersten Tag haben wir den Kindern Gedichte vorgelesen und mit ihnen Spiele gespielt“, erzählt Nan. Die Mädchen und Jungen sind in Gruppen aufgeteilt; es gibt Aktivitäten für unter Neunjährige und für alle, die älter sind. So können die Betreuer:innen sie altersgerecht beschäftigen. Die Jüngeren werden zum Beispiel mit Knete kreativ tätig, sie malen und basteln; die Älteren organisieren Gruppenspiele – um sich besser kennenzulernen und sich gegenseitig helfen zu können, wie Nan erklärt. Nicht alle Kinder haben noch ihre Eltern, die sich zusätzlich um sie kümmern können.

Auszug der Plan-Hilfsmaßnahmen

  • 3.922 Lebensmittelpakete ausgeliefert
  • 2.869 Haushalte mit Trinkwasser versorgt
  • 3.793 Kinder in kinderfreundlichen Räumen betreut
  • 400 „Dignity Kits“ an Mädchen und Frauen ausgegeben
  • 997 Haushalte mit Bargeldhilfe unterstützt
  • 82 Personen in Schutzmaßnahmen geschult
Eine Gruppe Kinder spielt Uno
Auch Uno steht in den Kinderschutzräumen auf dem Spielplan Nay Lin Tun
Kinder nehmen an einem Gruppenspiel teil. Sie stehen im Kreis und klatschen die Hände über den Köpfen zusammen.
Kinder bei einem Gruppenspiel in einem Kinderschutzraum in Mandalay Nay Lin Tun

Bildungsmöglichkeiten frühzeitig wieder aufbauen

Darüber hinaus unterstützt Plan International auch die Bildung der Kinder. Erste Wiederaufbaumaßnahmen haben begonnen, darunter die Einrichtung von drei temporären Lernräumen und die Renovierung von zwölf durch das Erdbeben beschädigten Schulen. Zudem wurden Lehrkräfte geschult, wie sie die traumatisierten Kinder nach ihrer Rückkehr in die Klassenzimmer unterstützen können.

„Aufgrund der aktuellen Situation sind viele Menschen deprimiert“, merkt Nan an. „Mir ist jedoch aufgefallen, dass sich einige Menschen freiwillig engagieren und in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten viel Hilfe leisten. Wer es sich nicht leisten kann, finanziell zu unterstützen, der hilft eben physisch.“

Nans Selbstvertrauen hat durch ihre Tätigkeit für Plan International jedenfalls einen ordentlichen Schub bekommen. „Wenn ich mit den Kindern spiele oder ihnen etwas beibringe, muss ich oft meine Stimme erheben, um bei all dem Lärm gehört zu werden“, sagt sie lächelnd. Aber der Gedanke, für die Mädchen und Jungen da sein zu können, gibt ihr jeden Tag neuen Schwung. Mit Spielen und Geschichten trägt sie dazu bei, dass die Kinder sich langsam von ihrem Trauma erholen können.

Ein Mädchen hält ihre Zeichnung eines Schmetterlings hoch
Zeichnungen helfen den Kindern oftmals dabei, Gefühle auszudrücken, für die ihnen die Worte fehlen Aung Moe Hein
Ein Zelt unter Bäumen dient den Kindern in Myanmar als Schutzraum
Ein Zelt schenkt Hoffnung: Kinderschutzraum in der Region Sagaing Shin Thadar
Drei Kinder spielen auf einer orangefarbenen Matte ein Spiel zusammen
Drei Jungen spielen im Kinderschutzraum in Sagaing Shin Thadar

Der Fokus auf langfristigen Wiederaufbau

Der humanitäre Bedarf in Myanmar ist nach wie vor groß – gerade in den Bereichen Bildung, Unterkünfte, Bargeldhilfe und Schutzdienste. Plan International arbeitet weiterhin intensiv mit den Gemeinden in den am stärksten betroffenen Gebieten zusammen und konzentriert sich auf die langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen – im Vordergrund stehen dabei die Bedürfnisse von Kindern und Familien.

Der Artikel wurde mit Material aus dem myanmarischen Plan-Büro erstellt.

Helfen, wo es am nötigsten ist

In Myanmar konzentriert sich Plan International seit 2012 auf die Entwicklung von Kindern und die Stärkung von Jugendlichen, wobei der Schwerpunkt auf der Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen liegt. Wir setzen uns dafür ein, ein sicheres Umfeld für Kinder und Programmteilnehmer:innen zu schaffen, indem wir auf ihre spezifischen Schutzbedürfnisse und -risiken eingehen.

Die Maßnahmen in Myanmar sind jedoch seit Jahren chronisch unterfinanziert. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 sind weniger als 8 Prozent der erforderlichen Mittel für den humanitären Bedarf des Landes eingegangen. Mit Ihrer Spende tragen Sie dazu bei, dass wir unsere Arbeit vor Ort fortführen können.

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