Große Unsicherheit für Mädchen nach dem Erdbeben in Haiti

Foto: Plan International

Die 16-jährige Joseline lebt seit dem Erdbeben im August 2021 mit ihrer Familie in einer Notunterkunft. Wie viele andere Mädchen fühlt sie sich unsicher, hat wenig Privatsphäre, fühlt sich Angriffen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert und macht sich große Sorgen um ihre Zukunft. Plan International koordiniert vor Ort Unterstützungsangebote mit besonderem Blick auf die Bedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen.

Einige Monate nach dem Erdbeben der Stärke 7.2 im Südwesten Haitis lebt die 16-jährige Joseline mit ihrer Familie in einer Notunterkunft im Department Sud, nachdem ihr Haus bei dem Beben am 14. August völlig zerstört wurde. „Das Wichtigste für meine Familie und mich ist es, einen sicheren Platz zum Schlafen und eine Einkommensquelle zu finden. Im Moment schlafen wir sehr nah an der Hauptstraße. Ich fühle mich sehr unsicher dabei, weil die Autos sehr laut sind. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Autos uns überfahren werden. Ständig mache ich mir Sorgen“, erzählt Joseline.

Notunterkunft in Haiti an einer Hauptstraße
Joselines Notunterkunft liegt direkt an einer Hauptstraße – manchmal hat sie Angst, von den Autos überfahren zu werden. Foto: Plan International

„Manchmal sind die Schmerzen so stark, dass ich nicht schlafen kann“

Joseline (16), Schülerin aus Haiti

Bei dem Erdbeben starben über 2.200 Menschen, mehr als 12.200 wurden verletzt und 130.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) schätzt, dass fast 260.000 Kinder humanitäre Hilfe benötigen. „Als die Erde bebte, war ich zu Hause und verkaufte mit meiner Mutter Bananen. Ich rannte los, stolperte und fiel hart auf den Boden. Seitdem tut mein Rücken weh, und ich kann nicht ins Krankenhaus, weil meine Eltern sich die Gebühren nicht leisten können. Ich lasse mir den Rücken mit Öl einreiben, aber manchmal sind die Schmerzen so stark, dass ich nicht schlafen kann“, berichtet Joseline.

Auch Joselines Ausbildung wurde unterbrochen, da ihr Schulgebäude zerstört wurde. Sie hat sich schweren Herzens damit abgefunden, dass sie in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird, wieder zur Schule zu gehen. „Der Gedanke macht mich sehr traurig, weil ich gerne zur Schule gehe und weiß, wie wichtig eine Ausbildung ist.“

Durch das Erdbeben zerstörte Schule
Viele Schulen wurden durch das Erdbeben stark beschädigt, sodass viele Kinder derzeit nicht unterrichtet werden können. Jean Reynald Dorzina Maxis

Die meisten der vom Erdbeben betroffenen Kinder sorgen sich um ihre Sicherheit. Vor allem heranwachsende Mädchen befürchten, überfallen oder angegriffen zu werden. Die Familien versuchen ihr Bestes, um ihre Kinder in ihrer Nähe zu behalten, aber in einigen Unterkünften ist dies eine große Herausforderung: Menschen sind aufgrund des Platzmangels zusammengepfercht – Männer, Frauen und Kinder sind alle zusammen untergebracht.

Viele Frauen und Mädchen fühlen sich nicht sicher, wenn sie sich nachts in den Unterkünften bewegen, etwa, um auf die Toilette zu gehen. Es gibt keinen Strom und dementsprechend keine Beleuchtung, was das Gefühl von Unsicherheit verstärkt. Diejenigen, die in der Lage sind, ihre Handys aufzuladen, behelfen sich mit der Taschenlampenfunktion, aber sie fühlen sich laut Umfragen trotzdem schutzlos und ausgeliefert.

„Nach dem Erdbeben berichteten die Mädchen über verstärkte Sorgen und Angst vor geschlechtsspezifischer Gewalt“

Monroe Lacerte, Emergency Response Manager Plan International Haiti

„Die Hauptbedürfnisse der Menschen in dieser Situation sind Nahrung, Wasser, Obdach, Bildung für die Kinder und Schutz vor Gewalt. Nach dem Erdbeben berichteten die Mädchen, mit denen wir gesprochen haben, über verstärkte Sorgen und Angst vor geschlechtsspezifischer Gewalt, vor allem wegen der fehlenden Privatsphäre in den Unterkünften“, erklärt Monroe Lacerte, Emergency Response Manager bei Plan International Haiti.

Ein weiteres Problem, mit dem die Mädchen konfrontiert sind, ist der Mangel an Menstruationsprodukten. Da viele Familien alles verloren haben, verfügen sie nicht über die nötigen Mittel, um Hygieneartikel zu kaufen. „Ich muss statt Binden ein Stück Stoff nehmen. Das fühlt sich nicht wirklich hygienisch an“, sagt Joseline.

In Notsituationen ist das Risiko, dass die Rechte von Kindern und insbesondere Mädchen verletzt werden, groß. Das müssen die Hilfsmaßnahmen berücksichtigen und Unterstützung für gefährdete Personen, Haushalte und Gesellschaftsgruppen bereitstellen. Plan International arbeitet mit Partner:innen zusammen, um Kinderschutzeinrichtungen in den betroffenen Gebieten zu stärken. Dazu gehören Aufklärungsmaßnahmen, die Überweisung zu medizinischen und rechtlichen Dienstleister:innen, die Unterstützung gemeindebasierter Projekte zum Kinderschutz und die Bereitstellung psychosozialer Unterstützung mit einem besonderen Augenmerk auf die Bedürfnisse von Mädchen.

Darüber hinaus werden temporäre Lernzentren gebaut und Familien erhalten Bargeld, das sie nach eigenem Ermessen für Lebensmittel, Unterkünfte oder Werkzeuge zum Wiederaufbau ihrer Häuser verwenden können.

Einwohnende Haitis räumen auf
Die Einwohner:innen Haitis arbeiten hart daran, zerstörte Häuser wieder aufzubauen. Jean Reynald Dorzina Maxis

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