Projekterfolge messen, Wirkung nachweisen
Damit Hilfsorganisationen bewerten können, inwieweit ihre Projektarbeit geplante Ziele erreicht haben, braucht es fundierte Ansätze und Instrumente der Wirkungsmessung.
Zum Thema Wirkung und Wirkungsmessung zu beraten, ist bei Plan International Deutschland Aufgabe des Referats für Programmqualität. Migena Shulla leitet dieses Referat und erklärt im Plan Post-Interview, welchen Stellenwert Wirkungsmessung bei der Kinderrechtsorganisation hat und wie sie funktioniert.
Plan Post: Was meinen wir, wenn wir von Wirkung sprechen?
Migena Shulla: Wirkung bedeutet, dass Projekte zu bedeutenden und positiven Veränderungen für unsere Projektgemeinden beitragen – insbesondere für Mädchen und junge Frauen. Beispiele hierfür können sein, dass in einem Dorf weniger weibliche Genitalverstümmelung durchgeführt wird oder dass Väter sich vermehrt an der Kindererziehung und dem Haushalt beteiligen. Für die Bewertung von Projekterfolgen ist aber nicht nur Wirkung allein, sondern auch die Nachhaltigkeit von Wirkung ausschlaggebend.
„Bei unserer Projektarbeit geht es um Veränderungen, die Bestand haben.“
Warum ist es wichtig, auf die Nachhaltigkeit von Projekterfolgen zu achten?
Bei unserer Projektarbeit geht es uns um Veränderungen, die Bestand haben – nicht um kurzfristige Erfolge, die nicht anhalten. Unsere Projekte haben zudem immer den Anspruch, einen Beitrag zu langfristigen übergeordneten Zielen – wie zum Beispiel der Reduzierung von Armut – zu leisten. Diese können aber nur erreicht werden, wenn mittelfristige Veränderungen – also etwa der verbesserte Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten für junge Frauen – von Dauer sind. Deshalb ist Nachhaltigkeit für uns ein Kernaspekt von Wirkungsmessung, denn damit stellen wir sicher, dass die positive Wirkung von Projekten auch über deren Ende hinaus bestehen bleibt.
Was können wir uns also unter Wirkungsmessung konkret vorstellen?
Wirkungsmessung bedeutet, systematisch und auf Basis von wissenschaftlichen Methoden zu überprüfen, ob ein Projekt wirklich zu den Veränderungen beigetragen hat, die wir damit beabsichtigt haben. Wirkungsmessung erlaubt uns zu bewerten, ob wir unsere Projektziele erreicht sowie die aufgewendeten Ressourcen – wie etwa Zeit, Geld, Personal und Arbeitsaufwand – sinnvoll und effizient eingesetzt haben.
Welche Daten braucht es für diese Wirkungsmessung und wie erheben wir sie?
In unseren Projektgemeinden führen wir zum Beispiel Umfragen, Interviews und angeleitete Gruppendiskussionen mit Projektteilnehmenden und anderen Stakeholdern – wie etwa Vertreter:innen lokaler Behörden – vor Beginn eines Projekts und nach dessen Ende durch. Diese Studien liefern uns wichtige Daten, um Veränderungen zu messen und zu erfassen, welchen Unterschied unsere Projektaktivitäten im Leben der Menschen gemacht haben.
Wir können so zum Beispiel ermitteln, ob mehr Kinder zur Schule gehen oder schwangere Frauen medizinisch besser versorgt werden. Auch Feedback aus den Gemeinden und von Projektteilnehmenden holen wir regelmäßig während der gesamten Projektlaufzeit ein, damit wir laufend darüber informiert bleiben, welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht.
„Mit dem Beweis, dass wir etwas bewirkt haben, ist es nicht getan – wir müssen auch das Warum benennen können.“
Unsere Wirkungsmessung geht über Projektaktivitäten hinaus. Nur zu erfassen, wie viele Schulen gebaut wurden oder wie viele Kinder an einem Workshop teilgenommen haben, wäre zu kurz gegriffen. Das sind wichtige Indikatoren, aber die Frage nach der konkreten Wirkung eines Projekts ist komplexer. Hier müssen wir uns fragen: Was genau hat sich durch unsere Arbeit verändert? Sind Kinder sicherer? Sind Mädchen gestärkter? Ist die Gemeinde widerstandsfähiger und autarker? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir die jeweiligen Projektregionen verstehen und gut mit den Menschen kommunizieren. Darum sind die Gespräche mit den Gemeinden so wichtig. Mit dem Beweis, dass wir etwas bewirkt haben, ist es nämlich nicht getan – wir müssen auch das Warum klar benennen können.
Man kann Wirkung also tatsächlich messen?
Ja, durchaus. Unsere Projekte zielen immer auf einen sozialen Wandel ab, und dieser ist bekanntlich komplex und vielschichtig. Es gibt aber bewährte und innovative Methoden, die uns ermöglichen, sozialen Wandel mit Fokus auf die Wirkung unserer Projekte zu messen. Studien und Evaluationen, die sich unterschiedlicher Methoden aneignen, um diese Komplexität und Vielschichtigkeit so weit wie möglich zu erfassen, sind fester Bestandteil unserer Wirkungsmessung in Projekten.
„Die Messung von Wirkung hilft uns, zu lernen, welche Projekte ausgeweitet und welche angepasst werden müssen.“
Wozu genau dient Wirkungsmessung bei Plan International?
Die Wirkungsmessung bildet für uns die Grundlage, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. So können wir unsere Projekte kontinuierlich verbessern und insbesondere das Leben von Mädchen und jungen Frauen noch positiver verändern. Projektaktivitäten, die auf dem Papier perfekt aussehen, stoßen in der Praxis oft auf unerwartete Herausforderungen: politische Veränderungen, Umweltkrisen, gesellschaftlicher Wandel. Die Messung von Wirkung ist mehr als nur das Abhaken von Checklisten. Sie hilft uns auch, aus der Vergangenheit zu lernen, uns an die Situation vor Ort anzupassen, und liefert uns wichtige Daten, um zu entscheiden, welche Projekte ausgeweitet und welche angepasst werden müssen.
Würden wir die Wirkung unserer Projekte nicht stetig überprüfen, liefen wir Gefahr, in Projektaktivitäten zu investieren, die keinen oder einen zu geringen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen weltweit leisten. Wirkungsmessung unterstützt uns als gemeinnützige Organisation zudem darin, unsere Rechenschaftspflicht gegenüber Projektteilnehmenden, Gemeinden und Gebern zu erfüllen. Wir bleiben als Organisation nur dann relevant und glaubwürdig, wenn wir unsere Wirkung auch nachweisen können und transparent darüber berichten.
„Wir streben Wirkung an, die bleibt – über mehrere Generationen hinweg.“
Wir haben jetzt viel über Wirkung im Allgemeinen gesprochen. Gibt es ein konkretes Beispiel dafür?
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine ehemalige Patenschaftsregion in Quang Ngai, einer Küstenprovinz in Zentralvietnam, wo wir uns für die Bildung und gesellschaftliche Stärkung von Mädchen eingesetzt haben. Die Patenmädchen hatten im Zuge dessen an der „Real Choices, Real Lives“-Befragung teilgenommen – einer Langzeit-Kohortenstudie, die über 100 Mädchen aus verschiedenen Projektländern von Geburt bis zu ihrem 18. Lebensjahr begleitet.
Jahre nach Projektende konnte ich die Gemeinde noch einmal besuchen. Die Maßnahmen waren längst abgeschlossen – aber die Wirkung blieb sichtbar: Mädchen, die aufgrund unserer Unterstützung die Schule abgeschlossen hatten, waren nun berufstätig oder studierten an der Universität. Aber hier endet die Wirkung nicht. Jüngere Mädchen hatten plötzlich Vorbilder in ihren eigenen Familien- und Bekanntenkreisen und hatten ganz neue Möglichkeiten für ihre eigene Zukunft. Das ist die Art von Wirkung, die wir anstreben. Eine Wirkung, die Bestand hat – über mehrere Generationen hinweg.