Stille Stärke

Foto: Plan International

Mit Anfang 20 führt Balkumari ihren eigenen Imbiss. Sie ist Unternehmerin, Macherin, Vorbild – und gehörlos. Was für sie zählt, ist nicht das, was ihr fehlt, sondern was sie daraus macht.

Im nepalesischen Distrikt Sindhuli lebt Balkumari, 23 Jahre alt. Gemeinsam mit drei ebenfalls gehörlosen Freundinnen betreibt sie einen Imbiss, der inzwischen zu einem gern besuchten Treffpunkt für den ganzen Ort geworden ist. Ihr Antrieb: unabhängig leben, etwas Eigenes aufbauen und zeigen, dass Inklusion dort beginnt, wo Menschen echte Chancen erhalten.

Schon als Kind verlor Balkumari zunehmend ihr Gehör. In der örtlichen Schule fühlte sie sich ausgeschlossen, ein Hörgerät half kaum. Viele verstanden nicht, wie schwierig Kommunikation für sie war.

Eine Junge Frau mit Zöpfen steht an einer Theke.
Balkumari betreibt mit drei Freundinnen einen Imbiss. Ihr Ziel: unabhängig leben – und anderen jungen Menschen mit Behinderung zeigen, dass vieles möglich ist Plan International

Ein neues Leben in Gebärdensprache

Erst als ihr Vater sie an einer Schule für gehörlose Kinder anmeldete, änderte sich ihr Leben grundlegend. Dort lernte Balkumari die Gebärdensprache – und mit ihr öffnete sich eine neue Welt. Zum ersten Mal konnte sie kommunizieren, sich mitteilen, Freundschaften knüpfen. Der Schulalltag wurde leichter, ihr Selbstvertrauen wuchs.

Bis zur elften Klasse lernte sie an dieser Schule. Doch mit dem Abschluss rückte eine andere Frage in den Vordergrund: Was kommt danach?

Viele junge Menschen mit Behinderung stehen nach der Schule ohne Perspektive da – besonders auf dem Land, wo es kaum Arbeitsplätze gibt und Vorurteile verbreitet sind. Doch Balkumari hatte Glück: Ihre Schule informierte sie über ein besonderes Programm – YEED. 

 

Die Abkürzung steht für „Youth Employment and Entrepreneurship Development“ – auf Deutsch: Jugendliche in Arbeit und Unternehmertum fördern. Das Programm unterstützt junge Frauen und Männer in ländlichen Regionen Nepals beim Einstieg ins Berufsleben.

Zudem ermöglicht es ihnen, berufliche Fähigkeiten zu erwerben, ein eigenes Geschäft aufzubauen oder eine feste Arbeit zu finden. Ziel ist ein langfristig sicheres Einkommen und ein selbstbestimmtes Leben.

Eine junge Frau in einem karierten Hemd und mit einer gelben Blume im Haar lächelt in die Kamera.
Manika (18) ist gehörlos und betreibt zusammen mit ihren Freundinnen einen Imbissladen Plan International
Vier junge Frauen stehen nebeneinander in einer kleinen Küche und winken
Von links nach rechts: Manika (18), Anjana (22), Babita (21) und Balkumari (23) in ihrem gemeinsamen Geschäft Plan International

Vom Kochkurs zum eigenen Imbiss

Balkumari meldete sich gemeinsam mit ihren drei Freundinnen Babita (21), Manika (18) und Anjana (22) zu einem der Trainings an. Dort lernten sie, wie man beliebte nepalesische Gerichte wie Momos, Chow Mein oder Dal Bhat kocht – und wie man mit diesen Fähigkeiten Geld verdienen kann.

„Vor dem Kurs wusste ich nichts übers Kochen“, erzählt Balkumari über Gebärdensprache. „Jetzt weiß ich, wie ich damit etwas aufbauen kann.“

Nach dem Training erhielten die vier gehörlosen jungen Frauen eine Starthilfe von insgesamt 165.000 nepalesischen Rupien, das sind rund 1.200 Euro. Damit kauften sie Töpfe, Kochgeschirr, Zutaten und eröffneten ihren eigenen kleinen Imbiss.

„Nach dem ersten Probieren haben sie gesagt: ‚Das schmeckt fantastisch!‘“

Balkumari (23), betreibt zusammen mit ihren Freundinnen einen Imbiss

Der Anfang war nicht leicht. Viele Menschen in ihrer Gemeinde begegneten dem Projekt zunächst mit Zweifel. Können gehörlose Frauen wirklich einen Imbiss führen? Werden sie verstanden? Funktioniert das?

Doch der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. „Die Leute waren neugierig, aber auch überrascht“, sagt Balkumari. „Nach dem ersten Probieren haben sie gesagt: ‚Das schmeckt fantastisch!‘“

Mit einer klar gestalteten Preisliste, um die Kommunikation zu erleichtern, und viel Motivation bauten die vier Unternehmerinnen eine treue Kundschaft auf. Der Imbiss wurde zum beliebten Treffpunkt: Die Leute kommen gerne, weil das Essen gut ist und die Mitarbeiter:innen freundlich sind.

Eine junge frau in Trainingsjacke steht in einer kleinen Küche
Babita (21) arbeitet gerne mit ihren Freundinnen zusammen Plan International
Eine junge Frau in einem leuchtend blauen Pullover lächelt schüchtern
Anjana (22) ist stolz darauf, selbständig ihren Lebensunterhalt verdienen zu können Plan International

Unabhängig in die Zukunft

Jeden Tag öffnet Balkumari früh morgens gemeinsam mit ihren Freundinnen den Imbiss, kauft frische Zutaten ein und erledigt die Vorbereitungen. Rund 1.600 Rupien Umsatz erwirtschaften sie täglich, den Großteil reinvestieren sie in den Betrieb.

„Noch können wir nichts sparen“, sagt sie. „Aber wir lernen mit jedem Tag mehr und das gibt uns Zuversicht.“

Balkumari denkt schon weiter. Ihr Ziel: Den Imbiss vergrößern und künftig auch andere junge Menschen mit Behinderung beschäftigen. „Ich möchte nicht nur für mich selbst sorgen“, sagt sie. „Ich möchte anderen zeigen, dass auch sie etwas erreichen können.“

Die Reaktionen aus der Gemeinde haben sich inzwischen stark gewandelt. Aus Skepsis wurde Anerkennung. „Früher hat man uns kaum ernst genommen. Heute sagen die Leute: ‚Ihr habt wirklich etwas geschafft!‘“

YEED – Plan schafft Perspektiven

Balkumari hat bewiesen, dass es nicht an der Behinderung liegt, wenn Menschen am Rand stehen – sondern an den fehlenden Chancen. Durch YEED und die eigene Entschlossenheit hat sie sich selbst eine Perspektive geschaffen. Und vielleicht noch wichtiger: Sie hat ein Beispiel gesetzt, das Hoffnung macht.

Der Artikel wurde mit Material aus dem nepalesischen Plan-Büro erstellt.

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Junge Menschen mit Behinderung stoßen weltweit auf Barrieren – oft nicht wegen ihrer Einschränkungen, sondern wegen fehlender Chancen. Mit Ihrer Spende in den Sonderprojekt-Fonds unterstützen Sie Programme wie YEED, die genau hier ansetzen: Sie fördern berufliche Perspektiven, stärken Selbstständigkeit und geben Jugendlichen wie Balkumari die Möglichkeit, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

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