Die Reisbank von Bokeo

Foto: Plan International

Wenn im laotischen Bergdorf die Vorräte knapp werden und die Ernte unsicher ist, entwickeln die Menschen Strategien, um die Versorgung ihrer Familien dennoch zu sichern.

Die Reissäcke in Singhs Haus werden langsam weniger. Die 21-jährige Mutter aus der Khmu-Gemeinschaft lebt mit ihrer Tochter und ihrer Mutter in einem Dorf in der Provinz Bokeo in Laos. Ihr Mann Mun arbeitet seit Monaten in Thailand, um die Familie zu unterstützen. „Dieses Jahr hatten wir nur 15 Säcke Reis – eigentlich bräuchten wir doppelt so viel“, erzählt Singh. Engpässe wie diese sind in ihrem Dorf keine Ausnahme: Ein Drittel der Familien erlebt sie regelmäßig. Dürreperioden, unregelmäßige Niederschläge oder Schädlinge können eine ganze Ernte unbrauchbar machen. Fatal im Norden von Laos, wo viele Haushalte nahezu vollständig auf ihre eigene Landwirtschaft angewiesen sind. 

 

Zwei Männer heben Reissack auf Waage
Der Reis wird nach Gewicht ausgeliehen und zurückgegeben Plan International
Ein Mann und eine Frau tragen Daten in ein Register ein, während neben ihnen auf dem Boden ein Sack Reis auf einer Waage steht
Singh (li.) bringt Reis zurück in die Reisbank Plan International

Herausforderungen in Bokeo

Laos gehört zu den Ländern, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Rund 70 Prozent der Bevölkerung leben von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. In den Bergregionen wie Paktha und Pha Oudom, wo nur wenige Einkommensalternativen bestehen, sind die Folgen unmittelbarer zu spüren. Schon kleine Schwankungen im Wetter wirken sich direkt auf den Speiseplan aus.

Um die Versorgungslücken zu überbrücken, suchen viele Männer Arbeit im Ausland oder auf Plantagen. Für die Familien bedeutet das zwar ein zusätzliches Einkommen, gleichzeitig aber Trennungen und ein unsicheres Leben zwischen zwei Orten.

Ein gemeinschaftlicher Vorrat

Eine Veränderung brachte im Jahr 2024 die Einführung der Reisbank, die im Rahmen eines Projekts von Plan International umgesetzt wurde.

Das Prinzip ist einfach: Familien können sich in Zeiten der Knappheit Reis aus einem gemeinschaftlichen Lager ausleihen und ihn nach der Ernte mit einem geringen Aufschlag zurückzahlen. Damit entsteht ein Kreislauf, der unabhängig von externen Märkten funktioniert und innerhalb der Dorfgemeinschaft getragen wird.

Für Singh war das entscheidend. Ihre Familie erhielt 850 Kilogramm Reis. Genug, um die schwierigste Zeit zu überstehen. Mun konnte aus Thailand zurückkehren und sich wieder am Dorfleben beteiligen. „Die Reisbank hat unsere Sorgen gemildert – und meinen Mann nach Hause gebracht“, freut sich Singh.

Singh sitzt lachend zusammen mit anderen Frauen und Männern an einem langen Tisch und lernt die Vorteile der Reisbanken kennen
Singh (vorne) nimmt an einem Treffen im Lernzentrum teil, um die Vorteile der Reisbanken kennenzulernen Plan International

„Unsere Ernte ist kleiner ausgefallen als gedacht. Ohne die Reisbank hätten wir nicht gewusst, wie wir die Lücke schließen sollen.“

Seum (24), erzielte auf einer Bananenfarm zusätzliches Einkommen

Die gesicherte Grundversorgung schafft Raum für Entwicklung. Singh und Mun begannen, zusätzlich Mais anzubauen und Geflügel zu halten. Damit verringern sie ihre Abhängigkeit vom Reis allein und können kleine Einkünfte erzielen. Die Reisbank wirkt also nicht nur als Nahrungsmittelreserve, sondern auch als Zeitgewinn – eine Voraussetzung, damit Familien zusätzliche Einkommensquellen erschließen können.

Die Verwaltung liegt in den Händen der Dorfbewohner:innen. Ein stellvertretender Dorfvorsteher führt die Buchhaltung. Für ihn ist das Modell mehr als eine Notfallmaßnahme: „Die Reisbank verschafft Familien Sicherheit und stärkt das Vertrauen im Dorf.“ Damit die Bank langfristig funktioniert, braucht es jedoch Begleitung. Projektmitarbeitende unterstützen bei organisatorischen Fragen und vermitteln Wissen über klimaangepasste Anbaumethoden. 

Singh wiegt zusammen mit einem Mitarbeiter der Reisbank in Bokeo einen Sack Reis
Die Reisbank unterstützt Familien in unsicheren Zeiten Plan International
Zwei Menschen notieren Daten in ein großes Buch, das als Register für die Reisbank dient
Seum (re.) gibt den vor der Ernte geliehenen Reis zurück Plan International

Ein Modell mit Perspektive

Für Singh bedeutet die Reisbank vor allem, dass ihre Familie wieder gemeinsam leben kann. „Er ist jetzt wieder für mich, unsere Tochter und meine Mutter da“, sagt sie über ihren Mann Mun.

Was in Paktha und Pha Oudom begonnen hat, kann auch in anderen Regionen von Laos oder in ähnlichen Dörfern anderswo auf der Welt Wirkung zeigen: Familien organisieren sich selbst, tragen Verantwortung füreinander und finden gemeinsam Wege, mit schwierigen Zeiten umzugehen.

Die Geschichten von Singh und Seum wurden mit Material aus dem laotischen Plan-Büro aufgeschrieben. 

Helfen Sie mit einer Spende

Laos ist eines der ärmsten Länder des asiatisch-pazifischen Raums. Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1954 herrschten 21 Jahre lang bewaffnete Konflikte. Wir von Plan International setzen uns seit 2006 in Laos unter anderem dafür ein, Kindern den Zugang zu Bildung sowie eine gesunde Lebensumgebung zu bieten. Außerdem unterstützen wir Gemeinden dabei, ihre Landwirtschaft an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und so ihre Lebensgrundlagen zu sichern.

Mit einer Spende für unser Projekt „Zukunftschancen durch nachhaltige Landwirtschaft und Klimaschutz“ helfen Sie uns, diese Arbeit langfristig fortzuführen.

Jetzt unterstützen

Sie mögen diesen Artikel? Teilen Sie ihn gerne.