Im Zeitalter der Hungersnöte

Foto: Charles Atiki Lomodong

Engpässe bei der Versorgung von Millionen Menschen haben sich durch zerstörerische Konflikte, die Corona-Pandemie und den fortschreitenden Klimawandel zu einer weltweiten Hungerkrise gewandelt – resümiert Plan-Expertin Jennifer Arlt für die Plan Post.

Die Zahl der Menschen, die durch Hungerkrisen oder gar Hungersnöte ernsthaft gefährdet sind, hat sich seit 2020 weltweit auf 276 Millionen mehr als verdoppelt. Um das Ausmaß solcher Krisen zu bewerten, Hilfsmaßnahmen zu organisieren und zu koordinieren, haben die Vereinten Nationen (UN) mit der „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC) Kriterien definiert. Sie reichen von Minimal (Level 1), über Krise (Level 3) bis zur Hungersnot (Level 5). Es besteht ein reales Risiko, dass 2022 mehrere Hungersnöte vom Level 5 ausgerufen werden müssen, zum Beispiel in Zentralamerika einschließlich Haiti, der Sahelzone und insbesondere die Zentralafrikanische Republik, Südsudan sowie im östlichen Afrika bis nach Syrien, auf die Arabische Halbinsel – und damit vielfach in Ländern, in denen wir von Plan International tätig sind.

Ein Mann wiegt ein Kind in einer improvisierten Hänge-Waage.
Ein Kind in Äthiopien wird gewogen. Michael Tewelde
Ein Mädchen steht mit dem Rücken zur Wand, damit seine Größe gemessen wird.
Überall auf der Welt sind Kinder von Ernährungsunsicherheit, Unter- oder Mangelernährung betroffen. Nelson Cadenas

Bedrohte Kindheit

Fast 8 Millionen Kinder unter fünf Jahren befinden sich nach UN-Angaben in lebensbedrohlichem Zustand – sie leiden unter schwerer akuter Unterernährung, beziehungsweise Auszehrung. Weitere 40 Millionen Kinder wachsen mit starker Ernährungsunsicherheit auf, das heißt sie erhalten nicht das für ihre Entwicklung benötigte Minimum an abwechslungsreicher und gesunder Nahrung. Darüber hinaus haben 21 Millionen Kinder keinen Zugang zu ausreichend Nahrung, um ihren kalorischen Mindestbedarf zu decken – Faktoren, die das Risiko für schwere Auszehrung erhöhen.

„Fast 8 Millionen Kinder unter fünf Jahren befinden sich nach UN-Angaben in lebensbedrohlichem Zustand.“

Jennifer Arlt, technische Expertin für Ernährungssicherheit

Aus meiner beruflichen Arbeit in Sambia, Uganda und Südsudan weiß ich, wie nervenaufreibend die Therapie und Heilung von schwerer Auszehrung ist. Nicht nur für das betroffene Kind selbst, sondern auch für Eltern und Pflegekräfte. Derartige schwere akute Unterernährung zu erleben, ist ein traumatisches, lebensbedrohliches Ereignis und der Erfolg der Therapie hängt von Geduld und Feingefühl bei der Therapie sowie vom Lebenswillen des Kindes ab.

Um den Arm eines Kindes ist ein Maßband gelegt.
Der Arm eines unterernährten Kindes in Kamerun. Plan International
Ein kleines Kind sitzt auf dem Schoß der Mutter. Ein Plan-Mitarbeiter sitzt mit dem Rücken zur Kamera und misst den Armumfang des Kindes.
Ein Plan-Mitarbeiter misst den Arm-Umfang eines Kindes in Uganda. Plan International

Langzeitschäden für die junge Generation

Die Wahrscheinlichkeit von Langzeitfolgen bei Auszehrung ist enorm, denn die frühe Kindheit ist die Zeit, in der der Körper und seine Organe schnell wachsen. Allein das Gehirn verbraucht in den ersten Lebenswochen des Kindes zwischen 50 und 75 Prozent der aufgenommenen Nahrung und Energie. In den ersten 1.000 Tagen ist der Nährstoffbedarf am höchsten; die Entwicklung des Gehirns reagiert empfindlich auf die Ernährung. Fehlt es dem Kind in dieser Zeit an Fetten, Proteinen, Vitaminen und Mineralien, schädigt dies die Entwicklung und Funktionen des Gehirns in meist irreparabler Weise. Kinder benötigen in den ersten Lebensjahren auch eine ausreichende Ernährung, um sich körperlich optimal zu entwickeln, die Immunität gegen Infektionen aufzubauen und sich vor Infektionen zu schützen. Durch Unterernährung besteht für Kinder ein höheres Risiko, an vermeidbaren Krankheiten zu sterben.

Was bedeutet Unterernährung?

Chronische Unterernährung hat eine zu geringe Körpergröße im Verhältnis zum Alter zur Folge (Wachstumsverzögerung). Bei akuter Unterernährung oder Auszehrung ist das Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße zu gering. Untergewicht beschreibt ein zu geringes Körpergewicht im Verhältnis zum Alter, und Mikronährstoffmangel oder -insuffizienz einen Mangel an wichtigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Oftmals ist im Zusammenhang mit Unterernährung von Mangelernährung die Rede.

„Fehlt es dem Kind in den ersten 1000 Tagen an Fetten, Proteinen, Vitaminen und Mineralien, schädigt dies die Entwicklung und Funktionen des Gehirns in meist irreparabler Weise.“

Jennifer Arlt, technische Expertin für Ernährungssicherheit.
Im Vordergrund wird eine Plastiktüte in die Kamera gehalten, in der die Ernährungspaste ist. Im Hintergrund sitzt eine Mutter mit einem kleinen Kind im Schoß.
Eine Spezialpaste wird als Behandlungsoption gegen Unter- oder Mangelernährung in Kenia eingesetzt. Plan International
Eine Frau kniet zwischen zwei halbleeren Säcken auf dem Boden.
Eine Frau in Burkina Faso kalkuliert ihren Vorrat an Getreide. Souleymane Drabo

Weltweit steigt seit 2014 die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden und von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind. Die Corona-Pandemie, wie auch der Krieg in der Ukraine, verstärken Anfälligkeiten und Defizite der globalen Nahrungsmittelsysteme, denn Lieferketten sind unterbrochen und die Preise steigen. Mehr und mehr Gesellschaftsgruppen, die ökonomisch weniger gut aufgestellt sind, geraten in Nahrungsmittelunsicherheit. Allein im Jahr 2020 sind mindestens 83 Millionen Menschen mehr in chronischen Hunger getrieben worden, besonders Frauen und Mädchen sind betroffen. Für sie ist die Wahrscheinlichkeit, unter Untergewicht zu leiden, 9,3 Prozent höherer als bei Jungen und Männern.

Jennifer Arlt ist technische Expertin für Ernährungssicherheit bei Plan International Deutschland.

Hunger in Afrika: So können Sie helfen

Die Welt erlebt zurzeit eine der verheerendsten Hungerkrisen, die es je gab. Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer. Es besteht ein dringender Bedarf an humanitärer Hilfe, um die Hungersnot abzuwenden. Wir von Plan International unterstützen mit unserer Hunger-Nothilfe Kinder und ihre Familien in acht unserer Programmländer, wo die Krise bereits ein dramatisches Ausmaß angenommen hat: In Äthiopien, Südsudan, Somalia, Kenia, Niger, Burkina Faso, Mali und auf Haiti. Wir stellen unter anderem dringend benötigte Lebensmittel zur Verfügung und ermöglichen medizinische Versorgung und Betreuung. Sie können uns dabei helfen – mit einer Spende!

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