Aktivist:innen in Honduras: Im Einsatz für Menschenrechte

Foto: Plan International/Honduras

Morde, Vertreibungen, Gewalt gegen Frauen: Honduras ist eines der gefährlichsten Länder der Welt. Aktivist:innen, die gegen Willkür und Ausbeutung vorgehen, müssen um ihr Leben fürchten. Plan unterstützt sie dabei, gewaltfrei zu ihrem Recht zu kommen.

In Honduras dominieren Korruption und Bandenkriminalität seit dem Militärputsch 2009 das Land. Unternehmen beuten wertvolle Bodenschätze aus, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur. Diejenigen, die dagegen protestieren, werden bedroht. Vivian Nordquist, Plan-Entwicklungsexpertin für Lateinamerika, erklärt, wie das Projekt „Die Erde schützen und das Leben verteidigen“ Menschenrechtsverteidiger:innen vor Ort stärkt.

Vivian, im Jahr 2020 wurden laut eines Global Witness Reports weltweit 227 Menschen getötet, weil sie gegen die Ausplünderung von Land und die Zerstörung der Natur protestiert haben – 17 davon allein in Honduras. Wieso ist das Land so gefährlich für Menschenrechts- und Umweltaktivist:innen?

Es gibt viele Minderheiten in Honduras, die ohnehin stark diskriminiert werden – etwa indigene Menschen und solche, die von afrikanischen Sklaven abstammen. Sie sind über das gesamte Staatsgebiet verteilt und erheben Anspruch auf das Land, auf dem schon ihre Vorfahren gelebt haben. Doch es gibt Großgrundbesitzer und Unternehmen, die versuchen, die ländliche Bevölkerung von diesen Gebieten zu vertreiben. Oft gestützt durch staatliche Institutionen und das Militär, das durch Räumungen und Einschüchterungen den Großgrundbesitzern und Unternehmen hilft, ihre Interessen durchzusetzen. Gewalt steht auf der Tagesordnung und Menschenrechtsaktivist:innen sind davon stark betroffen.

„Wir stehen für die Verteidigung der Menschenrechte ein. Leider werden viele von uns dafür verfolgt und getötet. Ich bin sehr dankbar für die Hilfe im Projekt.“

Marlon, Teilnehmer im Plan-Projekt „Die Erde schützen und das Leben verteidigen“

Wie kann die Ausbeutung von Natur zu Menschenrechtsverletzungen führen?

Ein Beispiel: Seit 2013 demonstrieren Menschen im Norden von Honduras gegen ein Tagebauprojekt. Eine Folge des Abbaus von Eisenerz in der Region sind verschmutzte Flüsse – und damit die Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Anwohner:innen. Ihr Protest hat in den letzten Jahren vielfach zu starker Gewalt geführt und auch zum Tod von Aktivist:innen. Viele andere wurden kriminalisiert und verhaftet. Ihre Familien berichten, von bewaffneten Gruppen bedroht und eingeschüchtert zu werden.

Welche Folgen hat die große Macht des Militärs für die Bevölkerung?

Das Militär sollte eigentlich die Bekämpfung der Bandenkriminalität unterstützen. Es nutzt seine Macht jedoch teilweise aus, um die lokale Bevölkerung einzuschüchtern – etwa durch Drohungen, aber auch durch direkte Gewalt. In Honduras gibt es extrem hohe Mordraten, die meisten Morde werden nie aufgeklärt. Die Täter kommen oft straffrei davon. Menschenrechtsaktivist:innen dagegen werden häufig kriminalisiert, um gegen sie zu hetzen und sie loszuwerden.  

Was will Plan mit dem EU-Projekt „Die Erde schützen und das Leben verteidigen“ erreichen?

Zivilgesellschaftliche Organisationen und die Netzwerke der Verteidiger:innen sollen gestärkt werden. Sie werden darin geschult, gewaltfreie Lösungen zu finden, damit Menschen auf ihrem Land bleiben und ihren Besitz behalten dürfen, ohne in ständiger Angst zu leben, vertrieben oder gar ermordet zu werden oder eine andere Art von Gewalt zu erfahren. Es werden außerdem Schutzmechanismen für Aktivist:innen aufgebaut. Die Öffentlichkeit soll zudem für das Thema sensibilisiert werden – denn viele kennen ihre Rechte gar nicht. Außerdem bieten wir schutzsuchenden Menschen Rechtsbeistand. 

Mehrere Menschen hören sich einen Vortrag in einem Workshop an
Plan International/Honduras
Eine Frau spricht vor mehreren Menschen
Plan International/Honduras

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet Plan mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, an die sich Menschenrechtsverteidiger:innen im Land wenden können. Wer genau ist damit gemeint?

Das sind meist lokale „Grassroots-Organisationen“ (d.h. Initiativen, die aus der Bevölkerung entstanden sind, Anm. d. Red.), die die Probleme vor Ort gut kennen, aber oft nicht die Mittel und Kapazitäten haben, um angemessen und organisiert dagegen vorzugehen. Da setzten wir an. Wir helfen solchen Gruppen, Expertise darin aufzubauen, wie sie ihre Rechte gewaltfrei verteidigen können.

Das geschieht unter anderem durch Workshops und Schulungen. Was wird darin genau vermittelt?

Neben den bereits genannten Methoden zur friedlichen Konfliktlösung geht es unter anderem auch um die Vermittlung von Soft Skills. Da viele der betroffenen Menschen auf dem Land nichts von ihren Rechten wissen, lassen sie sich von großen Konzernen schnell einschüchtern. In den Workshops lernen sie unter anderem, wie sie sich emotional schützen können – das ist insbesondere auch für diejenigen, die sich als Menschenrechtsverteidiger:innen engagieren, wichtig. Daneben werden aber auch lokale Gemeindevorsteher:innen oder Akteure aus dem Justizbereich geschult, damit sie informiert sind, um gegen die Verletzung von Menschenrechten vorgehen zu können.

Ein Beispiel aus dem Projekt: Gewaltsame Landenteignung und Kriminalisierung

In San Pedro de Tutule im honduranischen Department La Paz hat eine Bauernvereinigung seit 2009 über 27 gewaltsame Räumungen durch Polizei, Militär und andere Justizbehörden hinnehmen müssen. Dabei wurden Mitglieder durch Schüsse verletzt, eine schwangere Frau erlitt aufgrund von Schlägen und des Einsatzes von Tränengas eine Fehlgeburt. Die mehr als 20 betroffenen Familien, die zu den Lenca gehören – der größten indigenen Gemeinschaft in Honduras – hatten auf dem Land Häuser gebaut, Kaffee, Obstbäume, Mais und Bohnen angebaut und Tiere zum Lebensunterhalt gezüchtet. Nach den Zwangsräumungen wurde alles zerstört.

Die Menschen, die sich gegen diese Enteignung wehrten, wurden kriminalisiert, zwei von ihnen inhaftiert. Die betroffenen Aktivist:innen erhalten im Rahmen des Projekts derzeit Rechtsberatung, um vor Gericht die gegen sie erhobene Anklage endgültig abzuweisen.

Viele der Betroffenen leben sehr ländlich. Wie können auch diese Menschen erreicht werden?

Wir arbeiten mit lokalen Radiosendern zusammen, denn gerade in den ländlichen Gebieten wird sehr viel Radio gehört. So können wir unsere Informationen gut weitergeben. In manchen Gemeinden arbeiten wir auch mit Wandmalereien, über die wir wichtige Botschaften kommunizieren. So wollen wir ein Bewusstsein für die Probleme schaffen, in der Hoffnung, den Menschen die Angst zu nehmen, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Und zwar sowohl bei der betroffenen Bevölkerung als auch bei den Personen, die ihnen dabei helfen, ihre Rechte durchzusetzen.

Wie werden diese Angebote bisher angenommen?

Grundsätzlich sehr positiv. Es sind sehr viele Menschen von Landenteignung und Ausbeutung der Natur und den direkten Folgen, wie zuvor beschrieben, betroffen. Dementsprechend kommen auch immer sehr viele Menschen zu den Workshops. Sie wissen: Gewalt ist ein Problem. Doch sie wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können.

Ein Wandbild, auf dem der spanische Satz steht: Las mujeres tenemos derecho a vivir sin violencia
Die Botschaft „Las mujeres tenemos derecho a vivir sin violencia“ heißt übersetzt: Frauen haben ein Recht auf ein Leben ohne Gewalt Plan International/Honduras
Mehrere Frauen sitzen im Stuhlkreis und hören einer Rednerin zu
Plan International/Honduras

Sind Frauen auf besondere Weise von Menschenrechtsverletzungen betroffen?

Mädchen und Frauen zählen zu den Vulnerabelsten der Gesellschaft und sind deshalb besonders schützenswert. In Honduras ist die Gesellschaft sehr durch den Machismo geprägt. Es kommt häufig zu häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Frauen werden öfter eingeschüchtert, ausgegrenzt und bedroht. Eine Frau hat außerdem nicht automatisch Anspruch auf das Land, wenn ihr Ehemann ermordet wird. Das macht sie noch häufiger zu Opfern von Vertreibung. In allen Plan-Projekten geht es uns darum, die Gleichberechtigung zu stärken und Mädchen und Frauen zu ihren Rechten zu verhelfen.

Ein Beispiel aus dem Projekt: Geschlechtsspezifische Gewalt

Delias Mann, der Mitglied einer Bauernvereinigung war, starb bei einem Unfall. Sie bewirtschaftete daraufhin allein die gemeinsamen Parzellen. Doch als sie den Wunsch äußerte, erneut heiraten zu wollen, entzog ihr die Vereinigung, die ausschließlich aus Männern besteht, das Recht auf ihre Mitgliedschaft und ihr Land. Gegen diese Diskriminierung und geschlechtsspezifische Gewalt wehrte sich Delia mit Unterstützung aus dem Plan-Projekt: Nach vielen Monaten und Gesprächen konnte sie ihr Recht auf Mitgliedschaft und Zugang zu ihrem Grundstück durchsetzen. Delia engagiert sich seitdem auch aktiv im Projekt, hilft beim Aufbau von Kapazitäten und führt Schulungen durch.

Im Projekt werden zusätzlich mobile juristische, medizinische und psychologische Betreuungsdienste eingerichtet. Wieso sind diese so notwendig?

Es ist oft so, dass besonders Frauen, die von Gewalt betroffen sind, nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Sexualisierte Gewalt schüchtert ein und hält viele Frauen aufgrund von Schamgefühlen davon ab, Hilfe zu suchen. Diese Frauen brauchen eine Anlaufstelle für ihre Probleme. Aber für alle Betroffenen gilt: Jeden Tag in Angst leben zu müssen, eventuell von seinem Haus und seinem Grund vertrieben zu werden – das richtet psychischen Schaden an. Die 37-jährige Gloria, Mutter von zwei kleinen Kindern, und ihr Mann wurden bereits vertrieben und müssen jetzt mit emotionalen Folgen wie Angstzuständen umgehen lernen. Im Plan-Projekt erhalten sie psychotherapeutische Hilfe. Gloria hat zudem ihre Mutter verloren und erhält Unterstützung darin, ihren Tod zu verarbeiten.

In einem Land, in dem die Gegner von Menschenrechten so mächtig sind und Aktivist:innen jeden Tag damit rechnen müssen, erschossen zu werden – wo nimmt man da den Mut her, sich dennoch für die Verteidigung der Menschenrechte einzusetzen?

Stimmt, die Arbeit der Aktivist:innen ist bewundernswert. Um sich in diesem von Gewalt geprägten Umfeld für Menschenrechte einzusetzen, braucht es tatsächlich sehr viel Mut. Aber wegen der Repressalien, denen die Menschen in Honduras ausgesetzt sind, ist dieser Aktivismus und der Einsatz für gewaltfreie Lösungen umso wichtiger. Sie sind selbst direkt von Menschenrechtsverletzungen betroffen und möchten dies nicht mehr hinnehmen. Das Ergebnis der Wahl von 2021 zeigt, wie sehr sich die Menschen einen Wandel wünschen: Sie haben die bestehende Regierung abgewählt. Jetzt muss man sehen, wie es weitergeht. Aber klar ist: Wenn man nichts macht, dann passiert auch nichts. Je mehr Personen Menschenrechtsverletzungen anprangern, umso mehr Unterstützung werden sie auch bei solchen Menschen finden, die sich bisher nicht engagiert haben. Wenn man nicht im Kleinen anfängt, kann man auch nichts Großes schaffen.

„Es ist eine Herausforderung, aber gemeinsam wird es uns gelingen.“

Marlon, Teilnehmer im Plan-Projekt „Die Erde schützen und das Leben verteidigen“

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