Die Lage der Rohingya ist schon seit Jahrzenten von Spannungen geprägt. Sie sind eine muslimische Minderheit, die im buddhistisch geprägten Rakhine-Staat im Nordosten Myanmars lebten. 1983 wurde ihnen von der Regierung die Staatsbürgerschaft abgesprochen. Als sogenannte Staatenlose waren sie in Myanmar schon vor ihrer Vertreibung extrem in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Sie durften nicht wählen, hatten keinen Zugang zu höherer Bildung und ihr Grund- und Landbesitz wurde immer wieder beschlagnahmt.
Das Resultat dieser prekären Situation waren Konflikte, wiederholte bewaffnete Unruhen und immer wieder aufkommende Fluchtbewegungen. Zuletzt eskalierte die Gewalt am 25.08.2017, als die Armee und Polizei Myanmars bewaffnete Unruhen mit einer starken Militäroffensive niederschlug. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt, Frauen und Mädchen von Soldaten missbraucht. Schätzungen von Ärzte ohne Grenzen zufolge sind zwischen August und September mindestens 6.700 Rohingya ums Leben gekommen, darunter 730 Kinder.
Vor diesen Umständen flohen bis Ende 2017 688.000 Menschen ins benachbarte Bangladesch. Nach tagelangen Märschen durch Dschungel und Monsunregen erreichten viele das Gebiet in der Provinz Cox’s Bazar in Bangladesch, wo sich bereits etwa 200.000 Rohingya aus früheren Fluchtbewegungen aufhielten. Viele mussten unter freiem Himmel oder in improvisierten Unterkünften leben und schlafen. Es gab kaum sanitäre Einrichtungen, und die Risiken für Bewohner:innen insgesamt, aber besonders für Kinder, Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Menschenhandel zu werden, waren enorm.
Plan Referentin Carlotta Weibl war vor kurzem in Cox’s Bazar. Sie berichtet, dass sich die Situation in den letzten fünf Jahren durchaus auch positiv entwickelt hat, weil seit 2017 viele Strukturen gewachsen sind, Prozesse etabliert wurden und unterstützende Akteur:innen wie Plan International vor Ort sind. Ein Ende der humanitären Hilfslage ist für die fast eine Million Rohingya in Bangladesch allerdings nicht in Sicht: Sie dürfen in Cox’s Bazar nicht arbeiten und die Camps nicht verlassen. Kinder können nach wie vor nicht zur Schule gehen, und es dürfen keine permanenten Gebäude oder Infrastrukturen in den Übergangscamps gebaut werden. Die Menschen leben nach wie vor in Unterkünften, die notdürftig aus Bambus und Planen errichtet worden sind.
„In den letzten Jahren hätten die Menschen einiges aufbauen und sich eine gewisse Selbstständigkeit erarbeiten können. Aber die politische Lage gibt das nicht her.“
„In den letzten Jahren hätten die Menschen einiges aufbauen und sich eine gewisse Selbstständigkeit erarbeiten können. Aber die politische Lage gibt das nicht her“, erklärt die Plan-Mitarbeiterin. Die Regierungen von Bangladesch und Myanmar waren von Beginn an im Austausch, um eine Rückführung der Rohingya nach Rahkine zu verhandeln. Bangladesch hat aus politischen und ökonomischen Gründen kein Interesse daran, die Geflüchteten dauerhaft aufzunehmen und zu integrieren. Angesichts der Tatsache, dass seit einem Jahr in Myanmar das Militär an der Macht ist, das die Gruppe damals vertrieben hatte, sind diese Pläne allerdings in absehbarer Zeit nicht durchführbar.
Dennoch fühlen sich viele Rohingya ihrer alten Heimat verbunden, denn dort hatten sie eigene Häuser, konnten sich von der Landwirtschaft ernähren und hatten ihren eigenen Lebensraum. Auch sie wünschen sich, eines Tages nach Rakhine zurückkehren zu können.
In den Projekten vor Ort stellt Plan International die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt. „Wenn wir mit den Kindern reden, ist ihr größter Wunsch immer der nach Bildung. Sie wollen zur Schule gehen, wünschen sich eine Bibliothek, und möchten eine Schuluniform tragen“, erzählt Carlotta Weibl. Auch wenn ein offizieller Schulbesuch nicht möglich ist, wurden in den Camps Lernzentren eingerichtet. Dort lernen Kinder und Jugendliche seit einem Jahr Lesen, Schreiben und Rechnen, nach dem Schulkurrikulum von Myanmar.
„Wenn wir mit den Kindern reden, ist ihr größter Wunsch immer der nach Bildung. Sie wollen zur Schule gehen, wünschen sich eine Bibliothek, und möchten eine Schuluniform tragen.“
Diese von Plan errichteten Lernzentren dienen gleichzeitig als sogenannte Child Friendly Spaces, also kinderfreundliche Räume: „Sie sind innen bunt gestaltet, und vor allem die kleineren Kinder haben dort Spielzeuge und können malen. Wenn man sie betritt, ist der Kontrast zum restlichen Camp sehr spürbar. Es ist so etwas wie eine sichere Bubble.“ Genau dieser Effekt ist gewollt: „Es ist sehr wichtig, dass sie dort ein paar Stunden am Tag einfach Kind sein, normal existieren und sich entfalten können“, sagt Carlotta Weibl.
Ein weiterer Schwerpunkt für Plan ist die Stärkung von Mädchen und jungen Frauen. „Ich hatte ein sehr beeindruckendes Gespräch mit einer Gruppe junger Frauen, die berichtet haben, dass sie durch Plan Programme in die Lage versetzt wurden, mit ihren Ehemännern offen zu kommunizieren“, erinnert sich Carlotta Weise. Die Rohingya sind eine sehr traditionelle Gesellschaft, die patriarchal geprägt ist. Bei ihnen wird außerhalb der Familie stark zwischen Frauen und Männern getrennt. „Die jungen Frauen heiraten und müssen dann plötzlich ihr Leben mit einem Mann teilen. Sie mussten erst mal lernen, mit ihren Partnern zu reden und für sich und ihre Bedürfnisse einzustehen.“
Neben den Lernzentren und der Stärkung von Mädchen und jungen Frauen hat Plan International die Rohingya in Bangladesch durch Sanitär- und Hygienemaßnahmen unterstützt. Außerdem werden Risiken für die Sicherheit von Kindern identifiziert und minimiert. Als letztes Jahr ein Großbrand im Camp ausbrach, wurden Sammelzentren und temporäre Unterkünfte für Kinder errichtet, um die Zusammenführung mit den Familien in die Wege zu leiten.
Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Plan-Referentin Carlotta Weibl, Referentin für Disaster Risk Management in Plans Asien-Pazifik-Team. Sie hat längere Zeit in der Region Cox’s Bazar gelebt und war vor Kurzem vor Ort, um Plans Nothilfe-Programm vor Ort zu besuchen.